Blutportale
fünf Tagen unter einem Sonnenschirm, genoss einen Cappuccino mit Amaretto, die Alster rauschte an ihr vorbei. Heute fühlte sich die Luft allerdings kühler und herbstlicher an als bei ihrem Gespräch mit Valesca. Außerdem schützte ein Paravent sie und ihre Begleiter vor neugierigen Augen; lediglich der Ober konnte einen Blick auf sie werfen, wenn er kam, um die Bestellungen aufzunehmen. Der Metallaktenkoffer mit der Anzahlung wurde von Chris zu ihrer Linken beschützt, zwei weitere Wachleute saßen um sie herum, ein vierter sicherte ihren Rücken. Hansen rechnete damit, dass Valesca den Verkauf des Gebäudes verhindern wollte. Obwohl die Kammer geöffnet worden war, hatte es seinen Wert noch lange nicht verloren. Hansen ging davon aus, dass sie nur die Spitze des Eisbergs war. Eines schwarzen Eisbergs, den sie in den kommenden Wochen nach Güls Auszug endlich erklimmen konnte. Sie hatte seine Einwilligung mit riesiger Erleichterung aufgenommen und verschwendete keinen Gedanken daran, dass sie nun schon zum zweiten Mal die nicht unerhebliche Summe überreichen würde. Von dem Koffer, den man Gul gestern Nacht zugestellt hatte, fehlte jede Spur. Aber Geld war für die Consciten nichts weiter als bedrucktes Papier: Manchmal brauchte man eben mehr davon, um ein viel wichtigeres Ziel zu erreichen.
Sie schaute auf ihre Armbanduhr: Gul war bereits fünf Minuten zu spät. Hoffentlich hatte Valesca ihn nicht erwischt.
Sie rührte Zucker in den Cappuccino und zerstörte damit das Tannenbaum-Motiv aus Schokoladenpulver auf dem Schaum. Wenn Gul nicht kam, würde sie endgültig auf rohe Gewalt setzen. Das war nicht schön und gegen die Statuten der Consciten, aber unvermeidbar. Dafür war bereits alles zu sehr in Aufruhr geraten.
Chris sah auf ihr Getränk. »Die haben ganz schön Zeit an der Theke.«
Hansen tauchte aus ihren Gedanken auf und zog die Augenbrauen zusammen. »Bitte?« Er deutete auf den vernichteten Schokoladenpulverbaum. »Die brauchen doch ewig, bis sie das so hinbekommen, oder?«
Entgeistert starrte sie den Söldner an. Versuchte er ungeschickt, einen Scherz zu machen? »Haben Sie schon davon gehört, dass es Aufsätze für die Streubüchsen gibt?« »Ach so.« Chris zuckte mit den Schultern; Mike grinste und schüttelte den Kopf. »Was? Was ist?« Chris hatte anscheinend von den Witzen über ihn genug und nahm die Herausforderung an. »Was gibt's zu lachen?«
»Sony, aber wie blöd kann man denn sein?«, erwiderte Mike. »Denkst du, die haben einen angestellt, der die Muster freihändig streut? Das wäre doch mal ein prima Lehrberuf: Cappuccinoschaumdekorateur.« Jetzt feixten die anderen Männer ebenfalls. »Oder heißt das dann Cappuccinoschaumbeflocker?« Er legte einen Finger an die Lippen. »Man kann auch bestimmt Milchshakes verzieren! Und Latte. Toll! Eine Ausbildung und so viele Getränke!« »Genug«, herrschte Hansen ihn an. »Muss das sein?«
»Ich habe nicht angefangen«, verteidigte sich Chris. »Man wird doch mal eine Frage stellen dürfen.«
»Aber keine so saudämliche«, gab Mike zurück.
»Schluss jetzt!« Hansens Stimme hatte etwas so strafend Autoritäres, dass die massiv gebauten Männer sofort schwiegen. Im gleichen Moment läutete ihr Telefon, und sie nahm das Gespräch an, als sie Güls Nummer sah. »Sie sind spät«, sagte sie statt einer Begrüßung. »Es gab einen kleinen Zwischenfall«, hörte sie die Stimme einer Frau. »Ich musste mich umziehen, aber das erkläre ich Ihnen gern gleich selbst. Stehen Sie auf, heben Sie den linken Arm, und winken Sie. Rufen Sie dabei voilä.«
»Das werde ich ganz sicher nicht tun.«
»Dann wird Herr Gul nicht kommen.«
Hansen stand wütend auf, hob den linken Arm, winkte und rief mehrmals hintereinander: »Voilä!«
»Danke, Sie können sich setzen. Schauen Sie nach rechts.« Hansen tat es und sah eine blonde Frau in einem langen schwarzen Ledermantel dreißig Meter entfernt neben einer Werbetafel stehen. Sie hielt ein Handy ans Ohr gedrückt und hob die Hand. »Herr Gul schickt mich, weil es zu gefährlich für ihn wurde. Sagen Sie Ihren Gorillas, dass sie mich nicht beißen sollen. Es sei denn, sie wollen bluten. Ich beiße nämlich zurück.« Sie legte auf und ging los. »Verdammt«, fluchte Hansen und steckte das Handy ein. »Die Blonde da«, sie deutete in Richtung der Frau, »lasst sie näher kommen und sich setzen.«
Die Männer nickten. Nur einer von ihnen beobachtete sie, die anderen sicherten die Umgebung. Hansen fand,
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