Blutportale
dass der Gang der Frau etwas von einem Raubtier hatte. Ihr Gesicht war ungewöhnlich, nicht zu hübsch, aber auffallend, wie bei einem Model. Der Mantel klaffte gelegentlich bis zur Hüfte auseinander und zeigte ein Paar schwarze Stoffhosen und flache dunkelbraune Turnschuhe. Am Oberkörper trug sie einen dunkelbraunen Rollkragenpulli, im rechten Mundwinkel klemmte eine Zigarette. Das sollte die Sekretärin eines Floristen sein? Hansen vermutete, dass Gul einen Profi engagiert hatte; der Mann lernte schnell, und Hansen war verblüfft, dass er solche Kontakte besaß.
Die Blonde hatte den Tisch erreicht, nickte Hansen zu und setzte sich auf den freien Stuhl, eingekeilt zwischen zwei Bodyguards. »Bonjour. Ich bin Madame Liberte«, grüßte sie mit starkem französischen Akzent, der hervorragend zu ihr passte. Die braunen Augen mit dem gelben Ring um die Pupillen leuchteten hellwach. »Älors, kommen wir zum Geschäft?« »Was sollte das mit dem Winken?«
Liberté lächelte breit. »Ich musste Sie irgendwie erkennen. Ein Bild gibt es ja von Ihnen nicht.« Hansen wartete, bis der Kellner die Bestellung aufgenommen hatte und verschwunden war. »Ich denke nicht, dass Sie die Richtige sind, Madame Liberté. Welchen Beweis habe ich denn, dass Herr Gul Sie schickt? Und welche Vorstellung hat er, wie die Sache laufen soll?« Liberté, die eine Packung Gauloises auf den Tisch legte, dann eine Packung Gitanes Mais und schließlich ein Feuerzeug, zückte ein Handy und wählte. »Kann ich Will sprechen? Ich sitze wie vereinbart bei Frau Hansen, und sie glaubt mir nicht, dass ich in seinem Auftrag hier bin.« Sie wartete. »Ja, hallo, Will. Vor mir sitzen Frau Hansen und ein kleiner Privatzoo, lauter Gorillas. Sagst du ihnen, dass ich für dich zum Verhandeln gekommen bin?« Mit einem Lächeln warf sie ihr das Telefon zu.
»Hansen hier«, meldete sie sich.
»Äh, ja ... hallo«, sagte der Inder.
»Wie stellen Sie sich das vor?«, legte sie los und gab sich keine Mühe, ihre Ungehaltenheit zu verbergen. »Ich verstehe ja, dass es Ihnen zu gefährlich ist, sich durch die Öffentlichkeit zu bewegen, aber ich lasse mich doch nicht von Ihrer ... Sekretärin, oder was immer sie ist, abspeisen!«
»Frau Hansen, ich ... Also, ich kann hier nicht weg. Das stimmt schon.«
Auf sie machte es eher den Eindruck, als sei er von dem Anruf überrumpelt worden. Saß Liberté am Ende ohne Auftrag hier? Am Ende hatte Valesca den Mann bereits in ihrer Gewalt und spielte gerade ein Spielchen mit ihr? »Wäre es Ihnen lieber, dass wir ad hoc an einen von Ihnen bestimmten Treffpunkt kommen?«, schlug sie vor.
Liberté bekam ihren Cappuccino und schlürfte ihn laut, dazu rauchte sie eine Gitanes. Der Gestank des Tabaks war unglaublich.
»Ahm ...«, meinte Gul verlegen. »Es passt mir gerade nicht.«
»Was?« Hansen setzte sich aufrecht hin. »Es passt Ihnen nicht? Was geht hier vor, verdammt noch mal! Sie schicken mir zuerst diese Frau, mit der ich gar nichts anfangen kann, und dann habe ich den Eindruck, dass Sie mich reinlegen wollen.« Sie sah Liberté an. »Auf der Stelle nennen Sie mir einen Treffpunkt, oder Ihre Madame Liberté bekommt einen Vorgeschmack von dem, was Sie erwartet, wenn mein Auftraggeber Sie aufspürt, Herr Gul.«
»Na schön. Geben Sie mir ... Liberté wieder.« »Nein!«
»Ich will ihr sagen, wo wir uns treffen, Frau Hansen. Sie wird es Ihnen dann mitteilen.« Widerwillig kam sie der Aufforderung nach, und die Französin lauschte Gul fast eine Minute lang. Dann steckte sie das Handy betont langsam ein und entzündete den nächsten Glimmstengel. »Bon. Ich soll Ihnen sagen, dass er es sich anders überlegt hat«, sagte sie ruhig. »Wissen Sie, er fand Ihre Drohungen unschön«, sie zeigte mit der Zigarette auf Hansen, »und damit sind Sie schuld, dass Sie nicht in die Villa kommen und Ihr Kunde leer ausgeht.« Sie lächelte bösartig und trank von ihrem Cappuccino. »Blöd, n'est-ce pas?«
»Das lasse ich mir nicht bieten«, flüsterte Hansen mehr, als sie sprach. »Sie sagen mir, wo ich Herrn Gul finde, damit ich die Verhandlungen auf anderer Ebene fortführen kann. Sofort!« Sie hob den linken Arm etwas an, und ein Ruck ging durch die zwei Bodyguards an der Seite der Französin.
Liberté sah erheitert nach rechts, dann nach links. »Was haben Sie gemacht, Madame? Sie eingeschaltet? Ist da eine Fernbedienung in Ihrem Unterarm eingebaut?« Sie trank die Tasse leer und leckte sich genüsslich den Schaum von der
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