Blutportale
Lungen tanzten. Er starrte erschüttert auf das, was sich vor seinen Augen abspielte: Aus den Tieren formten sich Menschenkörper! Kurze Zeit später lagen eine nackte Frau und ein nackter Mann zu seinen Füßen in ihrem eigenen Blut und Erbrochenen. Silbriges Flackern huschte unter ihrer Haut entlang, kleine Gewitter schienen darunter zu toben und machten die Epidermis durchscheinend, so dass Adern und Knochen zu erkennen waren.
Die Frau hob mit letzter Kraft sterbend den Kopf. »Wir werden nicht aufgeben«, röchelte sie. »Das verfluchte Artefaktum wird nicht lange in deinen Händen sein. Du bist tot, BeluaAbschaum! Tor.'«
»Nein, ich gehöre nicht zu den Belualiten!«, rief er. »Ich bekämpfe sie.«
»Zur Hölle, Lügner!« Sie versuchte, eine Stufe nach oben zu kriechen, an der Leiche des Mannes vorbei, und schien ihn wirklich noch einmal angreifen zu wollen, aber dann lag sie nach einem letzten erstickten Luftholen still.
Will richtete seinen Blick auf das Schwert und berührte dann vorsichtig die Silbereinlagen. Sie fühlten sich ... fest an. Fest und sehr warm. Er versuchte zu verstehen, was gerade passiert war: Die Waffe hatte ihm das Leben gerettet - und war gleichzeitig der Grund, weswegen er von den Wandlern angegriffen worden war. Und dazu noch fälschlicherweise. Er war kein Dämonenjünger!
Viele Schritte erklangen auf der Straße, Lichtschein fiel durch den Eingang, und dann betraten mehrere Menschen das Pesthaus.
Will wusste nicht, was er tun sollte, bleiben oder flüchten? Immerhin stand er vor zwei Leichen, die unverkennbare Schwertwunden trugen.
Der helle gebündelte Strahl einer Blendlaterne fiel von unten auf ihn. »Da oben! Bei den Heiligen, seht euch das an! Der Mörder!«
Will hastete die restlichen Stufen nach oben und öffnete das nächstbeste Fenster. Vor ihm erstreckte sich ein Dach, und er sprang erleichtert hinaus in den stinkenden Nebel Er hatte springen wollen. Aber im letzten Moment packten ihn mehrere Hände, am Nacken, am Rockaufschlag, in den Haaren, und zerrten ihn zurück ins Haus. Er wurde brutal auf den Boden gepresst, jemand stellte sich auf seine Hand- und Fußgelenke, so dass er schließlich das Schwert freigeben musste. Die Männer um ihn herum trugen Pestmasken, die ihre Gesichter unkenntlich machten.
»Nein! Nein, ich bin kein Mörder! Ich musste mich verteidigen!«, rief Will verzweifelt und wand sich. »Sie haben mich angegriffen! Versteht doch!«
Jemand drückte ihm einen harten ledernen Knebel in den Mund. »Schon besser. Jetzt ist er still«, sagte einer von ihnen und ging neben ihm in die Hocke. »Mörder! Und ein Dieb dazu. Ein solches Schwert kann dir wohl kaum gehören.« Jemand reichte es dem Mann, und er setzte es mit der Spitze auf Wills Brust. Die Schneide zerteilte die Kleidung. »Beim allmächtigen Gott!«, rief der Mann aufgeregt und sprang in die Höhe. »Seht! Ich habe es geahnt: ein Diener des Bösen!«
Will blickte an sich herab - und erkannte auf seinem behaarten Bauch ein tätowiertes Zeichen. »Das haben wir bei ihm gefunden, Magister Lentolo«, sagte einer der Helfer und reichte dem Anführer den Tiegel, den Will unlängst von dem Sterbenden erhalten hatte.
Lentolo öffnete vorsichtig den Verschluss, roch daran und verzog das Gesicht. »Vermaledeiter Teufelsdreck! Es ist Pestsalbe!« Er stampfte Will den Stiefelabsatz auf die Nase, es krachte gleich mehrmals. »Wir haben einen jener Schurken gefangen, denen wir Venedigs Sterben verdanken!« Er beugte sich vor und riss Will den Knebel aus dem Mund. »Wie viele seid ihr, Dämonendiener? Nenne mir Namen, und ich gewähre dir einen schnellen Tod.« Will konnte nicht sprechen, auch das Atmen ging so gut wie nicht mehr. Ein Stück abgelöster Knebel blockierte seine Luftröhre. Er röchelte und japste, aber es gelang ihm nicht, den Klumpen aus seiner Kehle zu sprengen.
»Gebt acht, Lentolo! Der Dämon will aus ihm entweichen!«, rief einer der Männer. Fluchend hob Lentolo das Schwert - und stieß es Will durch den Brustkorb! Als hätte die tödliche Verletzung allein nicht ausgereicht, flutete das Silber - oder was immer diese Substanz war - jede Zelle mit Schmerz, mit Qualen und Leiden. Will hatte das Gefühl, in heiße Säure geworfen zu werden, bis sie die kleinste Faser in ihm auflöste und an die Knochen gelangte. Als der Tod seinen dunklen Mantel über ihn warf, war Will dankbar für diese Erlösung; niemals mehr wollte er derartige Pein erfahren, die den Verstand in winzige
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