Blutportale
die Augen, er warf sich nach hinten - und so unvermittelt, wie die Vision begonnen hatte, befand er sich wieder mit allen Sinnen in seinem eigenen Körper.
»Afraid of my hand?« Eugen sah ihn verwundert an.
»No, sorry ...« Will stürzte mehr aus dem alten Wagen, als dass er ausstieg. Er hangelte sich an der Seite entlang bis zum geöffneten Kofferraum und atmete schwer, dabei tastete er sich über den Bauch. Es hätte ihn nicht gewundert, Blut an den Fingern zu haben.
Saskia nahm gerade die letzte Tasche. »Was ist? Wieder ...?«
Will nickte nur. »Das macht mich fertig«, gab er leise zurück und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Er zitterte, und es war nicht nur wegen der Kälte. »Ich habe gesehen, wie Eugen niedergestochen wurde. Ich ... ich hab's selbst gespürt. Und glaub mir, daran gewöhnt man sich nicht.«
»Ganz ruhig, Will. Komm, ich helfe dir.« Sie hakte sich bei ihm ein, und gemeinsam betraten sie das Hotel. »Ist es einfach so passiert?«
»Nein. Er hat mich berührt. Er hat mir die Hand geschüttelt.«
Sie sah ihn an. »Du meinst, es hat etwas mit der Berührung von Haut auf Haut zu tun?« Bevor er es verhindern konnte, streifte sie ihren Handschuh ab und griff blitzartig nach seinen Fingern. Sein Verstand blieb, wo er war. »Bei dir funktioniert es nicht.«
»Vielleicht, weil ich es war, die die Gabe verliehen hat?«
Will sah zum Concierge, bei dem Justine sie gerade eincheckte, und atmete tief durch. »Werden wir gleich herausfinden.« Als der Mann ihm die Schlüssel überreichte, berührte Will ihn absichtlich mit dem Finger an der Hand.
Und wieder schien ein Teil von ihm den Körper zu wechseln!
Er sah den Mann in ein Hotelzimmer gehen, in dem vier Männer und eine Frau saßen. Sie unterhielten sich lange, dann zückten drei Männer Pistolen und schössen den Concierge einfach nieder! Die Einschläge, das verbrannte Pulver der Treibladungen und das Lachen der Mörder ... Als der Concierge in die Knie brach und starb, kehrte Will zurück und musste sich an den Tresen klammern, sonst wäre er gestürzt. »Er wird auch sterben!«, keuchte er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. »Verdammt, alle Menschen, die ich berühre und deren Schicksal ich vorhersehe, gehen drauf! Eugen, jetzt der Concierge ...«
»Es sind nur Visionen«, versuchte Saskia, ihn zu beschwichtigen. »Noch ist nicht sicher, dass es so kommt.«
»Und was war in Hamburg? Der Typ in dem Internetcafe, der Polizist... ich habe gesehen, wie sie starben. Ich ... ich habe sie verflucht!«
Justine führte ihn von der Rezeption weg, um den verdutzten Concierge nicht noch weiter zu alarmieren. »Will, reiß dich zusammen. Jemanden zu verfluchen, ist nicht nur eine Gabe, es ist eine echte Kunst, die erlernt werden muss.«
»Aber ...«
»Kein Aber.« Sie hob langsam die Augenbrauen. »Du hast mich schließlich auch angefasst. Und sie.«
»Und wir leben beide noch«, fügte Saskia rasch hinzu, um ihn zu beruhigen. Zu sehen, wie sich Will quälte, versetzte ihr einen Stich ins Herz. »Was du siehst, muss nicht eintreten.« Sie gingen schweigend zum Aufzug, ein Page brachte das Gepäck nach.
»Schaffst du es, oder sollen wir lieber morgen zum Kloster?«, fragte Saskia Will. »Wir sollten besser jetzt fahren«, empfahl Justine mitleidlos. »Solange Eugen noch lebt. Aber vorher, Will, kaufen wir dir Handschuhe!«
Zwanzig Minuten später saßen sie wieder im Taxi, und Eugen lenkte - nachdem er Will noch einmal ein paar Scheine abgeknöpft hatte - den Wagen durch die Straßen von Irkutsk. Zu ihrer aller Erstaunen hielt er vor dem Eingang eines Gebäudes an, das unschwer als Bahnhof zu erkennen war.
»What the fuck means this, Towarihtsch?«, fauchte ihn Justine an.
»Must go by train. Too far for me. Half around the lake«, erklärte Eugen. »Use the TransSib. Travel to Selenginsk and from there to cloister. Or use boat, down the Angara River, and then across the lake.« Er sah die drei der Reihe nach an. »All-right?«
»Schöner Mist.« Will sah hinaus in die Dunkelheit. »Ist bestimmt weit.« Er fragte Eugen, der ihm sagte, dass es in etwa eine Strecke von einhundert Kilometern war, wenn man über den Fluss und über den See fuhr. Will wurde unvermittelt wütend auf den Fahrer, weil er sie hängenließ ... und freute sich auf einmal darüber, dass der Mann bald sterben musste. Sofort erschrak er über seinen finsteren Gedanken. Diese Art von Wut, die aus einer nie gekannten Tiefe seines Ichs eruptionsartig
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