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Blutportale

Blutportale

Titel: Blutportale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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konnte Gedanken und Erinnerungen öffnen, sie konnte Portale zu den Höllen aufschließen ... Und sie wollte es steuern können und nicht von der Gnade dieser Fertigkeit abhängig sein! Ein besonderer Ehrgeiz packte sie. Es war der gleiche Ehrgeiz, den sie von der Planche kannte.
    Es muss doch möglich sein. Sie wollte versuchen, ob sich die Toilettenschranktüren öffneten, ohne dass sie zuvor einen Tobsuchtsanfall oder eine Panikattacke erleiden musste. Wenn dieses Experiment fehlschlug, blieb das Chaos auf das Bad beschränkt.
    Sie konzentrierte sich, fixierte das Schränkchen genau und stellte sich vor, wie es sich vorsichtig öffnete. Nichts passierte.
    Saskia blendete alles um sich herum aus. Es gab nur noch sie und den kleinen Schrank. Wills Stimme aus dem Nebenzimmer wurde immer schwächer, das Rauschen einer fernen Wasserspülung auch, und ...
    ... ganz langsam schwangen die Türen auf, zuerst der rechte, dann der linke Flügel, bis sie sich ganz geöffnet hatten. Verblüfft schaute Saskia auf die leeren Regale im Innern. Allmählich setzte sich der ungeliebte Geschmack in ihrem Mund gegen die Minznote der Zahnpasta durch. Es hat geklappt!, dachte sie erregt, legte die Zahnbürste beiseite und spülte den Mund aus. Sie schloss das Schränkchen wieder und versuchte es erneut. Das Erstickungsgefühl, der Farbverlust, die verschwundene Raumtiefe waren ausgeblieben; traten sie nur auf, wenn sie sich an größeren Aufgaben versuchte?
    Wieder gehorchten die Türen, und Saskia musste vor Erleichterung lachen. Sie stürmte hinaus und erzählte Justine und Will, was ihr soeben geglückt war. Ihre Mitstreiter sahen nicht weniger erleichtert aus als sie. Saskia machte kehrt.
    »Wohin willst du?«, fragte Justine. »Ich muss mal.«
    »Ich auch. Üben!«, gab sie überschwenglich zurück und war wieder in dem kleinen Bad verschwunden. »Die ganze Nacht. Ich habe den Eindruck, dass ich allmählich weiß, worauf es ankommt. Ich darf nicht lockerlassen, versteht ihr?«
    Justine sah zu Will, der auf der Schwelle stand. »Wo ist dein Bad?«
    Er deutete mit dem Daumen über die Schulter. »Geradeaus.«
    »Merci.« Justine stand auf und lief in Unterwäsche an ihm vorbei. »Ich setze mich auch hin«, meinte sie im Vorbeigehen, und er musste lachen. Will und Justine legten sich schließlich in ihre Betten und schalteten die Lichter aus. Justine sah durch die schimmernden Ritzen der Badtür ihr gegenüber, wie sich Saskia bewegte. Gelegentlich fiel etwas zu Boden, doch die große Verwüstung, wie sie im Appartement der union geherrscht hatte, blieb aus.
    Justines Anspannung legte sich allmählich, und sie dämmerte ein. Zuerst hatte sie befürchtet, erneut die Folgen von Saskias Gabe spüren zu müssen. Es war ein Horror ohnegleichen gewesen, ein erneuter Ausflug in die Hölle. Nein, sie durfte nie, nie dorthin zurückkehren; die Nonnen mussten einen Weg finden, ihr zu helfen, ohne ihr gleichzeitig die Bestie zu nehmen. Sie mussten einfach!
    Gegen vier Uhr morgens erwachte sie, weil sie Durst hatte. Im Bad brannte immer noch Licht. Justine ging zur Minibar und nahm sich ein Fläschchen Mineralwasser. Dabei sah sie den Apfel, den Saskia aus der Lobby mitgenommen hatte, auf dem Tisch. »Scheint, als ob sie wirklich dahintersteigt«, murmelte sie.
    Er war sauber geschält, geviertelt und entkernt worden. Ohne dass ein Messer herumlag. 
     
11. November Russland, südöstlicher Baikalsee 
    Sie saßen dichtgedrängt im Kommandostand des Schnellbootes, das sie mit Hilfe des Taxifahrers gechartert hatten. Die Arnos schoss über den Baikalsee und hielt auf die Stelle südlich des Selenga-Deltas zu, wo sich das Kloster befand, nach dem die drei suchten. Ihr Kapitän hieß Herrmann Becker und war deutschstämmig, ohne jedoch ein Wort Deutsch sprechen zu können. Kyrillische Tätowierungen auf den Unterarmen und eindeutige Darstellungen von Kalaschnikows ließen die Vermutung zu, dass er in der Armee gewesen war. Er trug beim Lächeln gern seine zwei goldenen Schneidezähne zur Schau; seine Kleidung, vor allem der Mantel, hatte schon einige Jahre auf dem Buckel. Gegen die Zahlung von zweihundert Euro und der Aussicht auf zweihundert weitere hatte er sich sofort in ihre Dienste gestellt.
    Ihr Taxifahrer war nicht Eugen gewesen. Die Zentrale hatte ihn nicht erreichen können, und die drei Fahrgäste glaubten zu wissen, was ihm zugestoßen war. Natürlich gab es immer noch die Chance, dass er verschlafen oder einfach nur keine Lust auf eine

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