Blutportale
schwarzen Haare waren mit Gel nach hinten gelegt, der akkurate Mittelscheitel und der ausrasierte Nacken ließen ihn wie einen Arzt aus den zwanziger Jahren erscheinen. »Sie sehen gut aus.«
»Guten Abend, Professor. Danke sehr«, gab sie freundlich zurück und kam auf ihn zu, während er die Tasche abstellte, öffnete und ein Stethoskop hervornahm. Sie mochte ihn und seine väterliche Art. Die Eingangsuntersuchung stand an. Kein Kämpfer durfte mit einer Beeinträchtigung antreten, egal ob es eine Erkältung oder eine schwere Verletzung war. Ihr entging nicht, dass auf der Vorderseite seines Kittels rote Spritzer zu sehen waren. »Ihr Kugelschreiber ist ausgelaufen, kann das sein?«, fragte sie mit ironischem Unterton.
Der Professor, dessen Namen sie nicht kannte und der ebenfalls nicht wusste, wie ihr bürgerlicher Name lautete, schaute an sich herab. »O nein, das ist keine Tinte«, erklärte er lapidar und hörte sie ab.
»Gab es schon einen Kampf?« Gehorsam atmete Saskia ein und aus und ließ die Prozedur über sich ergehen. Sie wurde mit einer Gründlichkeit abgeklopft und abgetastet, wie es sich jeder Kassenpatient wünschte. Der Professor besaß mehrere Titel im Bereich der Chirurgie sowie der Inneren Medizin und stand -seit er seine aktive Laufbahn in der union beendet hatte - der Vereinigung als medizinischer Betreuer zur Verfügung.
Es dauerte, bis er erwiderte: »Zwei Forderungen ohne Ranglistenbedeutung.« »Davon wusste ich gar nichts.« Saskia wunderte sich: Abgesehen von den regulären Plazierungsduellen, durften untere Ränge die höher Stehenden zwar jederzeit zu einem Zweikampf fordern, um zu lernen und Erfahrung zu sammeln, wofür sie oft genug mit Verletzungen bezahlten. Die höher Stehenden mussten die Forderung jedoch nicht annehmen, wenn sie den Gegner als unter ihrer Würde erachteten. »Gegen wen?«
»Die Neulinge Florette und MainGauche haben den Maitre zum Lehr-Duell gefordert. Und verloren, wie Sie an meinem Kittel sehen«, resümierte er knapp und richtete sich auf. »Alles in Ordnung. Sie können antreten, Rapier.«
Saskia wusste nicht, ob sie sich freuen sollte. Ihren wichtigen Ranglistenkampf bestritt sie gegen einen Kontrahenten, der sich bereits an zwei Gegnern ausgetobt hatte? Sie wollte nichts geschenkt - oder betrachtete der Maitre sie als eine dermaßen einfache Kontrahentin? Das grenzte an eine Beleidigung. »Wie lange gingen sie?«
»Wer?«, meinte der Professor und verstaute sein Stethoskop.
»Die Kämpfe. Wie lange haben sie gefochten?«
Der Arzt wandte sich zu ihr um, schob die Hände in die Taschen und betrachtete zuerst ihre Züge, dann glitt sein Blick an ihrem Leib herab. »Sie sollten es sich vielleicht noch einmal überlegen, Rapier.« Er sagte es väterlich und leicht besorgt.
»Wie meinen Sie das?«
»Sie sind zu hübsch und zu jung, um sich vom Maitre entstellen zu lassen. Plastische Chirurgie vermag heute viel, aber dennoch wird sie kaum alles in den ursprünglichen Zustand zurückversetzen können. Und glauben Sie mir: Der Maitre schont niemals einen Gegner.« Saskia nahm die Dehnübungen wieder auf. »Sie wollen damit sagen, dass Sie auch einmal gegen ihn angetreten sind und verloren haben?« Sie deutete auf seine Narbe. »Ich dachte, die rührt von einer schlagenden Verbindung her. Ihr Studierte habt das damals doch so gemacht.« »Damals? Meine Liebe, ich bin vielleicht nicht ganz so alt, wie ich aussehe!« Der Professor lachte auf. »Nein, ich war niemals bei einer Studentenvereinigung. Das hier«, er berührte den alten verheilten Schnitt mit seiner rechten Hand, »stammt von ihm.« Er zögerte, dann zog er den linken Ärmel in die Höhe und zeigte ihr weitere Narben. »Ebenso wie diese und diese.« Er zog sein Shirt am Kragen unter dem Kittel nach unten, so dass sie ansatzweise die Narben auf seiner Brust erkannte. »Mein Bauch sieht aus, als hätte sich ein phantasievolles, wütendes Kind mit einem Federmesser daran ausgetobt.«
Saskia konnte nicht verhindern, dass ihr ein Schauer über den Rücken lief. »Und heute waren die Neulinge an der Reihe, ihre Lektion zu erhalten?«
Der Professor nickte. »So ist es. Und es schien ihm Spaß zu machen, seine Angriffe auf die verwundbarsten Punkte zu richten. Das ist seine Art, mit der ... der Anmaßung umzugehen, als die er es sieht, wenn er von jemandem gefordert wird, der nicht an sein Niveau heranreicht.« »Womit Sie nun aber nicht mich meinen können?«, fragte Saskia ernst.
»Nein, Rapier,
Weitere Kostenlose Bücher