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Blutportale

Blutportale

Titel: Blutportale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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unbekannten Sprache an und scheuchte sie mit hektischen Bewegungen weg; die Kinder wichen auf der Stelle vor ihm zurück und wagten sich nicht mehr näher heran.
    »Du kannst Arabisch?«, fragte Justine erstaunt. Wills Ausbruch hatte sie aus ihrer Lethargie gerissen. »Oder was war das für eine Sprache?«
    »Keine Ahnung. Die Worte kamen mir einfach so in den Sinn«, antwortete er ohne das leiseste Anzeichen von Erstaunen und ging auf das Kassenhäuschen zu, um den Obolus für das Betreten der antiken Stadt zu entrichten. Es war wieder dieser Tonfall gewesen: herrisch, maßregelnd, abkanzelnd.
    Gemeinsam passierten die drei die Kontrollen. Saskia und Justine bemerkten jede Menge Touristen, die sich in kleinen und großen Gruppen bewegten. Einige Einzelgänger streiften auf eigene Faust durch die Ausgrabungen. In unregelmäßigen Abständen standen Soldaten der syrischen Armee Wache.
    »Der Mann an der Kasse sagte, dass Barakeh eine Gruppe Amerikaner führt«, teilte ihnen Will mit. »Er sei um diese Zeit bei der Nekropole außerhalb der Stadtmauern. Nordwestlich.« Er zeigte in die Richtung, wo sich ein Hügel und ein Turm erhoben.
    »Wann schnappen wir ihn uns?« Justine schaute in die Sonne und rückte die dunkle Brille zurecht. »Ich bin für sofort. Warum zögern?«
    »Nun ...« Saskia sah zu den bewaffneten Männern.
    »Sie werden nichts merken.« Will sagte es dahin, als seien die Soldaten nicht mehr als ein harmloses Hindernis. »Sie können mir ... sie können uns nichts entgegensetzen.« Er ging los, und die Frauen folgten ihm durch den Sand.
    Die turmartigen Bauten, in denen die Bewohner des längst untergegangenen Palmyra ihre Toten bestattet hatten, rückten näher. Die drei kamen an verschiedenen Ausgrabungsstellen vorbei, erklommen den Hügel und sahen endlich ein Grüppchen Touristen vor einem der Bestattungstürme, das sich um einen Mann mit dunkler Hautfarbe scharte. Sie waren etwa zwanzig Meter entfernt und standen etwas unterhalb von ihnen. Saskia nahm an, dass es sich um Amerikaner handelte. Die fünf hochgewachsenen Männer, die Baseballcaps, dicke Turnschuhe und seltsame Shorts trugen, waren allesamt über zwei Meter groß und erinnerten sie an eine Gruppe Basketballspieler, die vor einigen Monaten im Bon Goût eingefallen waren. Justine schüttelte ihre letzte Zigarette aus der Schachtel. »Ich hoffe, dass er das Pergament dabeihat.« Sie lud ihre Pistolen durch und achtete darauf, dass niemand die Waffen sah. »Wieso haben wir uns das eigentlich nicht früher gefragt? Wir hätten den Laden ohne weiteres durchsuchen können!«, merkte Saskia an und ärgerte sich, dass sie in Hamäh nicht daran gedacht hatte.
    »Er hat es dabei.« Will setzte sich in den Schatten, legte die Beine im Schneidersitz übereinander und hob den Kopf. »Ihr werdet es gleich sehen.« Er atmete tief ein - und sprach mit veränderter Stimme: »Geliebte! Möge der Mond über dich wachen, mögen die Sterne dir den Weg leuchten, der dich zu mir führt.«
    Es war ein Gedicht, das er da rezitierte, und wenn sie genau hinhörte, glaubte sie, es nicht nur auf Deutsch zu vernehmen, sondern eine zweite Sprache leise mitflüstern zu hören. Die gleiche Sprache, in der er vorhin die Kinder angefahren hatte. Sie wagte nicht, ihn anzusprechen und zu fragen. Eine Windböe umspielte die drei und bildete für Sekunden eine Sandhose, in deren Auge sie sich befanden, alsdann legte sie sich wieder. Leise rieselnd landeten die Sandkörner auf der Erde.
    Ein paar Amerikaner waren auf das Schauspiel aufmerksam geworden und hatten die Fotoapparate gehoben. Saskia spürte ein Ziehen im Nacken, das den Rücken nach unten und gleichzeitig nach oben über die Kopfhaut wanderte. In ihrem Mund schmeckte es leicht nach Bittermandel: Ihre Gabe aktivierte sich. Und es machte beinahe den Eindruck, als sei Will dieses Mal der Mediateur, der die Dinge in Gang setzte, nicht sie!
    Justine hielt die Pistolen in den Händen, ihre Arme hingen locker herab. Sie wartete auf ihren Einsatz und darauf, sich Shafiq schnappen zu können.
    Will setzte seinen Singsang fort. »Entgehe dem Dolch der falschen Freundin und kehre keinem den Rücken. Sie wollen unsere Liebe vernichten, sie wollen unsere Herzen versteinern. Nichts soll von uns bleiben. Doch damit machen sie uns umso stärker.«
    Die Böe kehrte zurück, viel stärker diesmal und mit einem merkwürdigen, brüllenden Geräusch; sie fegte über sie hinweg und brachte ihre Kleidung zum Flattern, dann jagte sie

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