Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Blutportale

Blutportale

Titel: Blutportale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
Vom Netzwerk:
den Hang hinab und warf sich gegen die Amerikaner! Die Frauen in der Gruppe schrien vor Überraschung auf, einige hielten ihre Hüte fest, andere verbargen die Kameras zum Schutz vor dem heranfliegenden Sand unter der Kleidung.
    Saskia bemerkte, dass sich der Himmel über der Nekropole verfinsterte und die Nacht nach Palmyra trug, obgleich es höchstens sechzehn Uhr Ortszeit war. Blitze zuckten von der Turmspitze nach oben in die schwarzen Wolken. Prompt leuchtete es darin auf, und ein anhaltendes Grollen erklang aus der Finsternis.
    »Will!« Saskia kniete sich neben ihn und packte ihn an der Schulter. »Will, was tust du?« »Er sucht das Pergament.« Justine zeigte mit einer Pistole auf die Gruppe, und Saskia schaute hinab.
    Der Reiseführer starrte auf seine linke Beintasche, in der ein goldener Stern aufgegangen zu sein schien. Etwas darin funkelte derart gleißend, dass Stoff und Fleisch von der Hüfte bis zum Unterschenkel durchsichtig wurden; man erkannte problemlos Adern und Knochen. Die Touristen wichen vor ihrem Führer zurück, filmten und fotografierten dabei aber unaufhörlich, um das ungewöhnliche Schauspiel zu dokumentieren.
    Shafiq schien keine Schmerzen zu verspüren. Er überwand endlich seine Starre und bückte sich, um den Gegenstand, der das Strahlen verursachte, herauszunehmen. Es war ... ein zusammengefaltetes Stück Papier, das er in einem Klarsichtbeutel aufbewahrte. Jetzt wurden seine Arme bis zu den Ellbogen durchscheinend, wie auf einem Röntgenschirm.
    Shafiq hielt das Beutelchen unschlüssig in seinen Fingern, sah zum Turm, aus dessen Spitze noch immer Blitze zuckten, die finsteren Wolken penetrierten und im wahrsten Sinne des Wortes das Unwetter aufstachelten.
    »Ich hole es«, sagte Justine und stürmte den Hügel hinab.
    »Nein, warte!« Saskia sprang auf, während Will weiter rezitierte: »Und töten sie uns« Jetzt wurde der Bittermandelgeschmack zu stark. Saskia musste sich von einer Sekundre auf die andere übergeben. Das war ihr schon lange nicht mehr passiert! Die Gabe sammelte sich in ihrer stärksten Form, um ihrer Trägerin Beistand leisten zu können. Aus irgendeinem Grund bestand in Palmyra allerhöchste Gefahr.
    Shafiq sah die grimmig blickende Justine durch den Sturm auf sich zukommen, bemerkte die beiden Pistolen und drehte sich um. Er flüchtete sich in den Turm.
    »sind wir bei den Toten glücklicher als bei«
    Saskia hatte das Gefühl, dass dieses Gedicht nicht bis zum Schluss vorgetragen werden durfte. »Will, nein«, schrie sie und schüttelte ihn an den Schultern. Aber seine braunen Augen sahen verzückt an ihr vorbei. Wieder trat dunkles Blut aus Mund und Tränenkanälen.
    »den Lebenden.«
    Saskia spürte es kommen. Sie warf sich auf den Boden - gerade noch rechtzeitig, denn einen Sekundenbruchteil später flutete ein gewaltiger Stoß unsichtbare Energie aus seinen Augen über sie hinweg, geradewegs auf die Gruppe Touristen zu! Der Sand spritzte hoch, als wäre er Wasser. »Justine!«, brüllte Saskia. Die Französin rettete sich mit einem Satz aus der Gefahrenzone und drückte sich an die Turmwand.
    Als Wills Macht die Menschen traf, erinnerte die Wirkung fatal an die einer Atombombe: Kleidung stand plötzlich in Flammen, dann schmolz das Fleisch und fiel von den Knochen; schließlich wirbelten Asche und Knochenfragmente davon. All das geschah innerhalb dreier Herzschläge; die Amerikaner hatten nicht einmal die Gelegenheit bekommen, ihre Schmerzen hinauszuschreien, zu schnell war das schreckliche Ende über sie gekommen.
    »Mein Gott«, war alles, was Saskia über die sandigen Lippen brachte.
    Will hatte sich erhoben, stieg mit einem Lachen über sie hinweg und ging in aller Ruhe den Hügel hinab, genau auf den Turm zu, in dem sich Shafiq verbarg.
    »Was soll ich machen?«, schrie Justine Saskia zu, die sich aus dem Sand stemmte. »Folge ihm!« Sie rannte den Hügel hinab und sah dabei, wie zuerst Will und danach die Französin in dem Bestattungsturm verschwanden. Der nun überall um sie herum tobende Wüstensturm brachte sie mehrmals aus dem Gleichgewicht. Sie brauchte ihrem Empfinden nach unendlich lange, bis sie endlich durch den Eingang trat.
    Die plötzliche Ruhe im Gebäude überfiel sie, bereitete ihr weiteres Unbehagen. Mit zitternden Knien ging Saskia weiter hinein und rieb sich die Augen.
    »Justine? Will?«, brüllte sie dabei, um das Tosen des Sturms zu übertönen. Im Turm klang es mehr nach einem anhaltenden Donnern, als stünde sie neben einer

Weitere Kostenlose Bücher