Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Blutportale

Blutportale

Titel: Blutportale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
Vom Netzwerk:
gewöhnte, die in ihr schlummerte, und auch Will schien es nicht anders zu gehen. Jedenfalls hatte er sich nicht gewundert oder geschämt oder sonst irgendeine Regung gezeigt, als er die zerstörte Wand gesehen hatte. Für ihn war es bereits so selbstverständlich geworden wie sein inzwischen fast immer arroganter Blick. »Wie finden wir Shafiq Barakeh?«, fragte Saskia ihn, um sich abzulenken und ihn dazu zu bringen, die Augen zu heben. Starrte er nun auf ihren Schoß oder auf das Schwert, das über ihren Beinen unter dem Tuch lag?
    »Das ist kein Problem für mich«, bekam sie herablassend zur Antwort. »Dazu benötige ich die Dienste einer Mediatrice nicht. Kümmere du dich darum, dass wir nicht verfolgt werden, und überlass alles andere mir.«
    Saskia fasste es nicht: Jetzt wurde er sogar spöttisch!
    Will bemerkte, dass er sich im Ton vergriffen hatte, und schien sich in einem Sekundenbruchteil wieder in den freundlichen Mann zu verwandeln, als den sie ihn kennengelernt hatte. Dieses Unstete wusste sie nicht zu deuten.
    »Entschuldige«, sagte er zerknirscht. »Es war nicht so gemeint. Das Morphin macht mich etwas ... überheblich.«
    »Schon vergessen«, murmelte Saskia.
    Dann sah er Justine an und fragte mit sanfter Stimme: »Wie kommst du darauf, dass es der Maitre war, der den Nonnen das angetan hat? Was ist mit den Dämonenanbetern?« »Oder dem Sir?«, entschlüpfte es Saskia.
    Will sah sie verblüfft an. »Der Sir?«
    »Naja, wir wissen nichts über ihn«, verteidigte sie ihren Einwurf. »Wir wissen nicht einmal, wo er steckt. Warum sollte er Mitwisser nicht ausschalten wollen?«
    »Nein. Das würde er nicht tun«, sagte er heftig und wollte aufbrausen, atmete tief ein und aus, bis er weniger laut, aber überzeugt fortfuhr: »Ich will ihn nicht in Schutz nehmen, ich kenne ihn nicht einmal persönlich, aber...« Er dachte kurz nach. »Vergiss es. Er kann es ebenso gewesen sein wie alle anderen, die hinter den Gegenständen her sind.«
    »Es war der Maitre«, beharrte Justine und sah aus dem Fenster.
    Danach herrschte wieder Schweigen im Auto, bis ihr Fahrer Will einen abgegriffenen Touristenführer hinhielt. Will gab ihn weiter an Saskia, die ihn aufschlug und laut vorlas. »Etwa seit dem Jahr 1900 wird das antike Palmyra, vor allem die Bauten aus der Kaiserzeit, methodisch freigelegt. Die Hauptachse der Stadt bildet eine über einen Kilometer lange, elf Meter breite, von hohen Kolonnaden aus korinthischen Säulen gesäumte Prachtstraße aus dem frühen dritten Jahrhundert.« Sie schaute nach vorn, wo die Ausgrabungsstätte zu sehen war. Die Mauern waren schon jetzt ein beeindruckender Anblick.
    »Der einzige Knick der Straße wird von einer dreibogigen Toranlage, dem Tetrapylon, angezeigt. An der Straße liegt das Theater, in dem noch immer Aufführungen stattfinden. Daneben liegt der Handelsplatz mit der Karawanserei. Im Ostteil der Stadt stand der geweihte Baal-Tempel auf einem ausgedehnten, von Säulenhallen und Propyläen umgebenen Platz. Zudem wurden ein späterer Baal-Schamin-Tempel, ein Nabu-Tempel und verschiedene andere Heiligtümer ausgegraben. In der nordwestlichen Nachbarschaft der Stadt wurden zahlreiche Grabbauten in Tempel- und Turmform sowie unterirdische Grabanlagen mit reichen Beigaben gefunden.«
    Saskia blickte nach vorne, wo Palmyras Reste sich vor ihnen ausbreiteten. Vor der grünenden Oasenstadt erhoben sich die Ruinen aus einer uralten, vergangenen Zeit. Eine Stadt von hoher Bedeutung, ein Schmelztiegel und Machtzentrum, das im zweiten Jahrtausend vor Christus schon besiedelt war.
    Sie bemerkte, dass auch Willrich von dem Anblick nicht losreißen konnte. Jetzt beneidete sie ihn fast um seine Visionen; er konnte wirklich durch die Zeit reisen und sich die bedeutungsvollen Stätten oder entscheidenden Momente der menschlichen Geschichte betrachten. Einige Stunden oder Tage in einer antiken Welt zu leben, nicht nur majestätische Überreste, sondern die Originale als intakte Bauwerke zu sehen - das wäre sicherlich einmalig und unvergleichlich. Es musste ja für sie nicht gleich das pestverseuchte Venedig sein.
    Ihr Fahrer steuerte auf den Parkplatz und hielt an. Sie gaben ihm wieder eine kleine Anzahlung und versprachen weitere Euros, wenn er auf sie wartete. Er nickte.
    Justine, Saskia und Will stiegen aus und waren sofort von einheimischen Kindern umringt, die ihnen lauthals Souvenirs, Snacks und Getränke anboten. »Achtet auf eure Geldbeutel.« Will herrschte die Meute in einer

Weitere Kostenlose Bücher