Blutportale
den Umstehenden als zu ihrem Gegner. »Das machen Sie doch besonders erfolgreich. Allein die Abfuhren, die Ihnen alle Frauen, die Sie kennen, bisher erteilt haben, sind doch schon eine beeindruckende Menge!« Damit ließ sie ihn stehen. Aus der Menge ertönten zwei, drei laute Lacher. Doch das heiterte Saskia auch nicht auf. Sie musste dringend frische Luft schnappen, in den märchenhaften Garten hinaus und weg von seinem widerlichen Gesicht. Den Mojito in der Hand, eilte sie auf die Flügeltüren zu.
Ihre Wut kochte hoch, schäumte und brodelte. Das heiße Blut brachte ihre Wunden noch mehr zum Schmerzen. »Scheißkerl!«, rief sie laut, sobald sie einige Meter weit in den Garten gelaufen war, und trat gegen einen Stein.
Sie stapfte missmutig den Weg entlang. Um sich abzulenken, schaute sie sich um. Will besaß wohl wirklich einen grünen Daumen und auf jeden Fall ein gutes Auge. Alles, die uralten Bäume, die perfekt gestutzten Rasenflächen, die Kies- und Plattenwege, auf denen sie über das Anwesen geführt wurde, die Kunstgegenstände und Sträucher, war aufeinander abgestimmt und ergab ein wunderschönes Gesamtbild, das mit seinen verspielten Formen an ein feudales Indien erinnerte, wie sie es von Bildern in indischen Kochbüchern kannte. Der Garten war perfekt, und wenn hier im Frühjahr und Sommer die Blumen blühten, musste er überwältigend sein.
Doch sosehr sie sich auch ablenken wollte, es gelang ihr einfach nicht, zu innerer Ruhe und Besonnenheit zu finden. Der Name Groening hämmerte in ihrem Verstand. Mit ihrer letzten Bemerkung hatte sie ihn zumindest ein wenig demütigen können; aber das reichte noch lange nicht, um ihr Genugtuung zu verschaffen!
Der Weg führte sie wieder an die Villa heran. Saskia bemerkte, dass ein Teil der Mauer neuer aussah als der Rest; als sei ein Fenster nachträglich verschlossen worden. Aber sie erkannte einen Riss, durch den man spähen konnte. Wie es dahinter wohl aussah? Lagen dort vielleicht Wills Privaträume?
Neugierig ging Saskia näher heran und drückte ihr Gesicht gegen den Stein. Das Licht einer Gartenlaterne spendete einen schwachen, schmalen Streifen Helligkeit. Dahinter erkannte sie ein geschlossenes Fenster und dahinter wiederum eine zweite Mauer, die aus Marmorblöcken hochgezogen war. Es wirkte, als habe dort jemand mitten im Raum eine weitere Kammer bauen lassen. Ihre Neugier verstärkte sich.
Es gab Ornamente und Symbole auf den Steinen zu sehen, die in bestimmten Mustern angeordnet waren. In einigen glaubte Saskia astrologische Zeichen zu erkennen. »Merkwürdig«, murmelte sie, und ihr Atem ließ die Scheibe beschlagen. Irgendetwas zog sie an diesem Raum an, ohne dass sie zu sagen vermochte, was es war.
Urplötzlich erschien auf dem Glas das geisterhafte Gesicht eines Mannes, der den Mund zu einem Schrei aufgerissen hatte!
Erschrocken sprang Saskia zurück und ließ das leere Cocktailglas fallen. Im gleichen Moment vibrierten die Steine vor dem Fenster, als rüttelte ein Erdbeben an ihnen. Die Schmerzen in ihren Wunden loderten auf, als habe man Benzin in ein Feuer gegossen. Keuchend taumelte Saskia nach hinten. Bloß weg von diesem Gesicht, schrie eine Stimme in ihr. Außerdem bekam sie Angst, dass die Wunden aufbrachen.
Ausgerechnet in diesem Moment schien es so, als würden die Nebenwirkungen der Medikamente sich wieder bemerkbar machen: Saskias Sicht trübte sich ein, die Farben um sie herum wichen einem alles überlagernden Grau, und für einige Sekunden hatte es den Anschein, als würde die Welt ihre Dreidimensionalität verlieren. Sie schmeckte unerklärlicherweise Bittermandel auf der Zunge; ihre Nase schien in einer allergischen Reaktion zuzuschwellen. Knisternd bildeten sich gezackte Linien auf den Steinen, kleine Stücke sprangen heraus und fielen auf die Fensterbank. Dann zerplatzte das neue Mauerstück, zerbröselte zu feinem Sand und rieselte als rötliches Mehl nieder. Gleichzeitig schwangen die Fensterflügel mit Macht nach außen auf und rissen aus den Scharnieren. Das Glas zerbarst, die Scherben regneten klirrend auf den Kiesweg.
Mit einem leisen Schrei rannte Saskia davon. Doch schon nach wenigen Metern musste sie sich gegen einen Baum sinken lassen, um nicht hinzufallen; ihre Wunden taten so dermaßen weh, dass sie einfach nicht weiterkonnte. Aus nun aber immerhin einigermaßen sicherer Entfernung sah sie zum Fenster: Die leeren Rahmen pendelten vor und zurück.
»Was war denn das?«, sagte sie laut und verspürte
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