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Blutportale

Blutportale

Titel: Blutportale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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Lange ausfindig machen und sie im Auge behalten, oder sollte er den Schwingungen folgen?
    Als er die Lider hob und einen Platz für sein leeres Glas suchte, näherte sich schon ein hilfreicher, tablettschleppender Kellner in einer dem Kolonialstil nachempfundenen Livree und nahm es ihm ab. Eine Art Wärme brandete gegen Levantins Fingerspitzen, die dem Mann am nächsten gekommen waren: Dieser Mensch verströmte etwas, was ihm gar nicht gefiel; etwas, das in die feine Aura des Besonderen, die diesem Haus anhaftete, wie eine Vergewaltigung hereinbrach. Wie ein fetter pinkfarbener Strich auf einem Gemälde von Turner, wie das Krachen von Explosionen in einem klassischen Konzert oder wie der stechende Geruch von Ammoniumcarbonat in einem duftenden Rosengarten. Unter den harmlosen Gästen tummelte sich etwas, was sich erdreistete, in Konkurrenz mit ihm treten zu wollen.
    Der Kellner war schon wieder an ihm vorbei und durch die Tür hinaus verschwunden, um das Tablett mit den vielen leeren Gläsern wegzubringen. Levantin nahm die Verfolgung auf. Er ging durch die Eingangshalle und von dort durch einen Gang in Richtung Küche. Der Kellner verschwand darin und erschien gleich danach wieder ohne sein Tablett, aber er kehrte nicht in den Saal zurück, sondern schritt in die entgegengesetzte Richtung, tiefer hinein in den privaten Bereich des Hauses. Levantin folgte ihm weiter und erkundete so das Anwesen. Er war angetan von dem, was er sah; und er war angetan von dem, was er spürte. Levantin lebte seit so langer Zeit schon in dem, was die Menschen Luxus nannten, dass ihm dies nicht weiter auffiel, aber dieses Haus hatte etwas, was ihn berührte; es fühlte sich an wie ein Stück Heimat, die er schon so unendlich lange nicht mehr kannte.
    Sie erreichten einen kleinen Flur, der in schummrigem, abgeschwächtem Licht lag, das hauptsächlich von kleinen Strahlern herrührte, die einige an den Wänden hängende Gemälde in Szene setzten. Levantin wartete an der Ecke und beobachtete von dort, was der Kellner tat. Der blieb gerade vor einem alten, grauen Wandteppich mit roten Kreuzen und schwarzen Ornamenten stehen, der hinter einer Scheibe hing und von zwei Lampen beleuchtet wurde. Der Mann löste die zahlreichen Befestigungen, mit denen die Abdeckung an der Mauer festgemacht war, stellte diese zur Seite und hängte geschickt den Teppich ab.
    Dahinter kam eine Tür zum Vorschein, die so gar nicht zum restlichen Gebäude passte. Sie schien aus Eichenholz zu sein, war übersät mit Symbolen und eingebrannten Zeichen. Levantin hielt sich nicht mit der Frage auf, warum der Hausherr diese Tür, die für den einfachen Betrachter nicht in das Haus passte, hinter einem Teppich verbarg; er spürte, dass eine besondere Magie von ihr ausging und sich hinter ihr die Quelle jener Aura verbarg, die er spürte. Die Eisenbeschläge und kräftigen Nieten waren schwarz gestrichen und ohne Rost, die Ziereinlagen aus Silber und Gold wiesen ein halbkreisförmiges Muster auf und glänzten poliert. Um hineinzugelangen, musste ein ausgefallen gestalteter Knauf betätigt werden: ein Chimärenkopf, Bär und Ziege gleichermaßen, mit schrecklichen Augen und einer herausgestreckten Zunge. Auf dem Kopf saßen vier spitze Hörner, an denen man sich sicherlich verletzen konnte. Ein Schloss gab es keines.
    Der Kellner kniete sich vor dem Eingang nieder, legte die Hände gegen zwei der Symbole und sprach leise vor sich hin. Er konzentrierte sich dabei so stark, dass schnell einzelne Schweißperlen über seine Stirn rollten; einen besseren Moment, sich ihm unauffällig zu nähern, konnte es nicht geben. Der Mann bemerkte Levantin erst, als unter seiner Sohle eine Marmorplatte mit einem dunklen Knirschen sprang. Erschrocken nahm er die Hände von dem dunklen alten Holz und tat so, als suche er etwas auf dem Boden. »Kann ich Ihnen helfen?«, fragte Levantin.
    »Nein, nicht nötig, danke. Ich bin gestolpert und habe einen Schlüssel verloren. Den für den Weinkeller«, entgegnete der Mann, auf dessen Namensschild Armin zu lesen war, haspelnd. Ein schlechter Schauspieler.
    »Interessante Tür«, sagte Levantin, ohne auf die Lüge einzugehen. »Ein Fremdkörper im Anwesen, oder was meinen Sie?«
    »Ist mir gar nicht aufgefallen.« Armin stand auf und wischte sich die Hände an der Hose ab. Levantin betrachtete die Zeichen. »Zuerst habe ich gedacht, dass es mittelalterliche Buchstaben sind«, dachte er laut nach und deutete auf eines der weniger verspielten Symbole.

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