Blutportale
fragt: Ihr habt gesehen, dass es ein bedauerlicher Unfall war, richtig?«
Von ihrem Aufpasser befreit, kümmerten sie sich nun um die Tür. »Sie ist wieder zu«, stellte Will fest und rüttelte an dem Fabeltierkopf. »Das gibt es doch nicht!«
Justine schob ihn zur Seite, als sei er ein Fliegengewicht. »Lass das die Mediatrice machen. Dann sehen wir, ob ich mit meiner Theorie richtigliege.« Sie sah fast schon befehlend zu Saskia. »Vas-y! Bevor die anderen Flies auftauchen.«
Es kostete Saskia sehr viel Überwindung, die Hand auszustrecken; Bilder aus der Partynacht zuckten aus ihrer Erinnerung hervor, überfielen sie wie Blitze, doch sie führte die Bewegung zu Ende. Sie versuchte, den Knauf zu drehen, doch nichts passierte - der Eingang blieb verschlossen.
Irritiert begann sie, an dem Fabelwesenkopf zu rütteln. Bestürzt sah sie zu Justine. »Es geht nicht.«
Die Französin hatte schon wieder ein Zigarillo im Mundwinkel. »Warum nicht? Was ist anders?«
»Ich weiß es nicht.« Saskia nahm die Finger vom Metall.
»Was hast du denn vor ein paar Stunden anders gemacht?«
»Nichts. Patrick und ich sind hierher, er hat es versucht, ich habe es versucht, und die Tür ist aufgegangen.«
»Merde.« Justine dachte nach. »Warum wolltest du in die Kammer?«
»Ich weiß es gar nicht mehr richtig ... Aus ... Neugier.«
Will schaute den Korridor entlang. »Wir müssen hinein«, drängte er Saskia. »Es können jeden Moment Polizisten auftauchen. Kannst du nicht versuchen, deine Neugier zu imitieren?« Sie stieß die Luft aus. »Keine Ahnung.«
»Was hattest du überhaupt hier hinten zu suchen?«, fragte Justine.
»Ich hatte Streit mit Groening, diesem Arsch. Ich wollte hier hinten ein bisschen runterkommen, um ihm nicht noch einen Zahn auszuschlagen.«
Nachdenklich formte Justine einen Schmollmund. »Bon. Emotionen sind vielleicht der Auslöser, bis du gelernt hast, die Gabe...«
»Den Fluch«, verbesserte Saskia sofort.
»... mon Dieu, den Fluch bewusst einzusetzen. Der Maitre hat dir keine Anleitung mit eingeschnitzt, was eindeutig hilfreich gewesen wäre.« Saskias böse Blicke prallten an ihr ab. »Also los, Madame, werde wütend.«
»Ich bin aber nicht wütend«, sagte Saskia bissig - und bekam eine Ohrfeige von Justine verpasst, nach der sie einen Ausfallschritt nach links machen musste, um die Wucht abzufangen. Ihre Wange brannte; die zierliche Figur der Französin täuschte über ihre tatsächliche Kraft hinweg.
Justine sah zufrieden auf die gerötete Stelle in Saskias Gesicht. »Ahrs, wütend genug?« Sie gab ihr einen Stoß, der sie hart gegen die Wand beförderte; ihr Hinterkopf prallte gegen die Mauer. »Kein Wunder, dass dich der Maitre besiegt hat. Du bist ja kaum mehr als ein kleines Mädchen, das jeder herumstoßen kann, wie es ihm passt...«
»Bist du wahnsinnig?«, fauchte Saskia wütend.
Sie spürte, wie Wut in ihr emporschoss wie aus einem Geysir. Ohne nachzudenken, holte sie aus ...
... aber Justine fing ihre nach vorne schnellende Faust in der Luft ab, bog die Finger auseinander und drückte sie blitzschnell gegen den Türknauf.
Saskias Brust brannte, der Geruch von heißem Wachs war wieder da; saurer Bittermandelgeschmack flutete in ihren Mund, und die Welt verwandelte sich in einen zweidimensionalen, grauschwarzen Scherenschnitt. Energie strömte feuer-farben aus ihren Fingern in das Metall. Synchron entflammten die Zeichen auf der Tür und überschütteten die drei mit silbernem und goldenem Schein. Es klickte vernehmlich, während Saskia wieder das Gefühl hatte, das Wachs würde sie ersticken. Saskia konnte sich nicht rühren und kämpfte mit den Schmerzen auf ihrem Oberkörper, während sich Justine an ihr vorbeidrängte und die einen Spalt aufgetretene Tür vollends auftrat. Der Kontakt zum Knauf wurde jäh unterbrochen - und die Welt mit einem Schlag wieder normal. Der Wachsgeruch und Mandelgeschmack ließen nach, ihre Nase war frei.
»Du hast es geschafft, Saskia«, sagte Justine und huschte hinein. »Toutes mes felicitations.« »Ich ... sie hat«, stammelte Saskia fassungslos. Will schob sie mit sanfter Gewalt in die dunkle Kammer und drückte die Tür so weit zu, dass man sie von außen für geschlossen halten konnte. Ein einzelner kaltblauer Lichtstrahl erwachte zum Leben und fächerte auseinander, um möglichst viel vom Inneren zu erhellen. Justine hielt eine Taschenlampe in der Hand, die sie wohl Dottke abgenommen haben musste. »Ich sehe hier keine Zeichen an der
Weitere Kostenlose Bücher