Blutportale
hob sie in die Höhe. »Das hier zuerst.«
Saskia nickte. »Machen wir es so. Ich möchte endlich mehr erfahren und nicht ständig auf Vermutungen angewiesen sein.«
Die Französin grinste Will an. »Du willst doch nicht einer Werwölfin und einer Frau mit solchen Kräften, wie Madame Saskia sie hat, trotzen, n'est-ce pas?«
Beim Gedanken an Werwölfe blitzten die Bilder des alten Venedig auf, die er mit aller Macht zur Seite schob. Nicht jetzt. »Okay, gehen wir. Ich muss noch ins Arbeitszimmer, das Satellitentelefon holen.«
8. November
Deutschland, Hamburg
Levantin beobachtete aus seinem Chrysler, wie Gul, Lange und eine ihm unbekannte Frau im Jeep aus der Einfahrt fuhren und auf die Straße einbogen.
Er lauschte in sich hinein. Die Ausstrahlung des Hauses hatte sich seit dem Massaker verändert, und was immer sich darin befunden und für die Aura gesorgt hatte, war verschwunden. Doch wohin?
Dafür strahlte Saskia Lange inzwischen deutlich Macht aus, sehr viel ungenutzte Macht, die sie wohl kaum zu kontrollieren vermochte. Sie glich einem hochgefahrenen Versuchsreaktor und bedeutete für ihre Umgebung eine nicht geringe Gefahr. Wenn der Reaktor hochging, bevor Levantin sein Ziel erreicht hatte, wäre das nach einer Wartezeit von fast zweitausend Jahren die höchste Steigerungsform von »ärgerlich«. Er würde die junge Frau bald unter seine Kontrolle bringen müssen. Andererseits reizte ihn der Gedanke, herauszufinden, wie lange sie brauchen würde, um die Gabe nach ihrem eigenen Willen einzusetzen.
Und noch etwas anderes weckte seine Neugier: Die unbekannte blonde Frau, die Lange und Gul begleitete, hatte ebenfalls mehr Geheimnisse, als ihr attraktives Gesicht vermuten ließ. Levantin hatte sie mehrmals fotografiert und das Bild via Handy zu seinen Kontakten gesandt, damit sie eine erste Überprüfung vornahmen. Außerdem waren zwei Telefonate mit Güls Handy geführt worden, die aus dem bisherigen Gesprächsraster fielen: eine Nummer in Rom, danach eine in München. Diese Überprüfung lief ebenfalls noch.
Der Chrysler nahm die Verfolgung auf, hielt aber einen gebührenden Abstand. Saskia Lange hatte seinen Wagen in der Speicherstadt gesehen, und auf die Schnelle konnte er keinen neuen beschaffen; jedenfalls keinen, der seinen Ansprüchen gerecht wurde, zum Beispiel der Spezialfederung wegen des hohen Gewichts.
Sein Handy klingelte. »Ja?«
»Wir haben die Nummer in Rom identifiziert«, sagte eine Frauenstimme in sein Ohr. »Sie ging über mehrere Umlenkstationen, aber wir haben sie verfolgen können. Der Anschluss befindet sich in einem Anwesen in Genzano di Roma, einem Haus, das offiziell als Museum gelistet ist. Schalten Sie Ihren Computer an, ich sende Ihnen die Daten. Im Netz gibt es gute Satellitenaufnahmen von der Region, die ich Ihnen zukommen lasse.«
Levantin fuhr den in den Chrysler eingebauten PC hoch und rief die Mails ab. »Eine schöne Lage am See«, sagte er ins Telefon. »Sehr idyllisch.« »Wir holen gerade weitere Erkundigungen ein, doch nach ersten Informationen gehört das Museum einem katholischen Frauenorden, der Schwesternschaft vom Blute Christi.« Die Anruferin hackte auf eine Tastatur ein. Levantin erinnerte sich, dass er mit den Schwestern in der Vergangenheit zu tun gehabt hatte, wenn auch nur am Rande. Eine Marginalie für ihn. »Herr Levantin, wir bekommen soeben neue Angaben. Danach wurde mit Güls Handy nach dem ersten Gespräch ein Festnetzanschluss in München angerufen. Die Adresse lautete Liebigstraße 11, das Haus gehört einem Herrn de Lavall.«
Er betrachtete das nächste Satellitenbild, das die Straße in München zeigte. Ein fast ebenso prächtiges Anwesen wie das Museum in Genzano. Die Bekannten der Frau verfügten über ein gehobenes Einkommen.
»Danke. Ich ...« Er wollte eben auflegen, als der Jeep anhielt und die drei ausstiegen. »Überprüfen Sie rasch die Hausnummer 21 in der Chrysanderstraße, Hamburg«, sagte er ins Handy.
»Einen Augenblick, Herr Levantin.« Die freundliche Frauenstimme verstummte, das Klicken der Tastatur beschleunigte sich.
Das Trio verschwand um die Ecke des Hauses; bald darauf sah er gelegentlich Schemen an den Fenstern vorbeigehen. Es gab keinen Zweifel, dass sie sich da drinnen berieten. Über was? Eine nächste E-Mail ergab, dass nach Gul und Lange gesucht wurde. Sie hatten sich ohne Erlaubnis des ermittelnden Beamten aus dem Anwesen abgesetzt. Es war noch keine Fahndung, wohl aber eine intensive Suche. Man vermutete,
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