Blutprinz (German Edition)
und wollte das weiße Fell berühren. In diesem Moment sprang die Perserkatze über die Couch, stolzierte mit erhobenem Kopf durch den Raum und war verschwunden.
Seufzend richtete sich Natalie auf, setzte sich auf die Ledercouch und genoss die Ruhe, die der Raum ausstrahlte. Die Bibliothek vermittelte ein Gefühl, als säße sie in einem uralten Archiv weit unter der Erde. Auf dem Beistelltisch lag ein Buch, das ebenso in Leder gebunden war, aber nicht so alt zu sein schien, wie der Band, den sie vorhin aus dem Regal gezogen hatte. Die Überschrift auf der ersten Seite lautete ‚Gilden in Großbritannien.’ Der Einleitungstext war auf Englisch und mit einer geschwungenen Handschrift geschrieben. Beim Weiterblättern fand sie ein ebenfalls handgeschriebenes Inhaltsverzeichnis, in dem eine Reihe von Nachnamen aufgelistet wurden, die in drei verschiedene Bereiche aufgeteilt waren. Reinblüter, Halbblüter und Geächtete.
Eine Weile schmökerte sie durch das Buch, aus dessen Inhalt sie aber nicht schlau wurde. Texte, die sich mit der Reputation der einzelnen Familien aus dem Inhaltsverzeichnis befassten, verwirrende Stammbäumemit unmöglichen Lebensspannen auflisteten und so manche Gilde als ausgestorben bezeichneten. Augenscheinlich war André nicht nur ein erfolgreicher Geschäftsmann, sondern auch so etwas wie ein Historiker, der sich mit der Geschichte Großbritanniens befasste. Ein reicher, gutaussehender Mann, der klassische Musik und alte Bücher liebte. Der Gedanke gefiel ihr. Natalie sah André im Geiste vor sich, wie er auf der Couch saß und bei einem Glas Wein die alten Bücher studierte. Eine warme Erregung floss durch ihren Körper. Jedoch zügelte sie ihre Phantasie, widerstand der Versuchung, sich dem Tagtraum hinzugeben. Immerhin war sie hier, um zu arbeiten. Noch einmal tief den schweren Duft des Raumes einatmend, klappte sie das Buch zu und ging schließlich zurück ins Wohnzimmer.
Sie schoss noch ein paar Fotos und durchstreifte weiter die Wohnung. Sogar ein Schwimmbad hatte Barov in dieser Luxusbehausung. Wehmütig blickte Natalie auf das beleuchtete Poolwasser und spielte mit dem Gedanken, eine Runde darin zu drehen. Doch was würde André wohl von ihr denken, wenn er sie nackt in seinem Pool erwischte? Sie fragte sich ob er sie nur heimlich beobachten, oder sich zu ihr gesellen würde. Die sanften Wellen der Erregung erwachten von neuem. Mit einem tiefen Atemzug verdrängte sie die Gefühle, zwang sich, wieder zur Vernunft zu kommen und an ihren Job zu denken. Sie hatte ihren Rundgang beinahe beendet. Es fehlte nur noch ein Raum im Obergeschoss, den sie sich für den Schluss aufgehoben hatte. Andrés Schlafzimmer.
Der Raum war abgedunkelt. Dicke Vorhänge aus purpurrotem Stoff verdeckten die Fenster und schirmten das Sonnenlicht zur Gänze ab, so dass Natalie das Licht anknipsen musste. Die Glühbirnen eines Kristalllüsters warfen ihr Licht in die Ecken eines Zimmers, das auf den ersten Blick wie das Schlafgemach eines Königs aussah. Prunkvolle Möbel in barockem Stil dominierten. Als habe jemand diesen Raum aus einem Schloss entnommen. Es dauerte einen Moment, bis Natalie verarbeitete, was sie sah. Sie hatte mit einem modernen Schlafzimmer gerechnet, mit geraden Linien und Designermöbeln, die ähnlich dem Wohnzimmer mit einzelnen Prachtstücken vergangener Zeiten harmonierten.
Das Bett war sauber gemacht und sah aus, als habe schon seit längerem niemand mehr darin geschlafen. Überhaupt wirkte das Zimmer trotz oder vielleicht auch wegen des Prunks steril. Sie trat an den Sekretär, schaute auf die Bücher und Unterlagen und streckte neugierig die Hand danach aus.
„Sie müssen Señora Adam sein“, sagte eine Stimme hinter ihr.
Erschrocken fuhr Natalie zusammen und blickte über die Schulter. Im Türrahmen stand eine kleine, stämmige Frau mit schwarzem Haar und gutmütigen Augen.
„Und Sie sind vermutlich Simona“, antwortete Natalie erleichtert.
„Si.“ Die Frau musterte Natalie von Kopf bis Fuß. „Señor Barov meinte, ich solle Ihnen etwas Gesellschaft leisten, bis er wiederkommt“, sagte sie und ihr breiter Mund formte ein warmherziges Lächeln. „Haben Sie Lust auf einen Plausch bei einer Tasse Kaffee?“
„Gern“, sagte Natalie und hoffte auf diese Weise etwas mehr über André herauszufinden.
Simona erwies sich als herzliche Gastgeberin. Natalie mochte sie auf Anhieb. Simona plauderte frei von der Seele, so als kenne sie Natalie schon lange und nach einer Weile
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