Blutprinz (German Edition)
schnell aus der Ecke, dass sie nicht reagieren konnte. Dreckige Lumpen hüllten sich um sie und als sie in das Gesicht des Assassinen starrte, brüllte sie sich die Seele aus dem Leib. Ein harter Schlag gegen den Kopf traf sie so, dass sie ins Stolpern geriet und nach hinten fiel. Sie knallte mit dem Kopf gegen eine Wand und Dunkelheit umfing sie.
Es war wie ein Blitzschlag, der seinen Körper durchzuckte und ihn aus dem tranceartigen Zustand riss. Einen Moment schaute er sich verwirrt in seinem Schlafgemach um. Er wusste nicht sofort, was ihn aus dem Schlaf gerissen hatte. Erst als die Bilder in seinem Geist aufblitzten und er durch Natalies Augen in das Gesicht des Assassinen starrte, begriff André, was geschehen war. Er spürte den Schmerz, als die Faust des Assassinen Natalies Kopf traf. Erneut wurde ihm bewusst, wie stark seine mentale Bindung zu Natalie tatsächlich war. Denn er vermochte zwar durch fremde Augen zu blicken und in den Geist eines anderen zu dringen, doch er hatte noch nie Schmerzen über diesen Weg am eigenen Leib gespürt. Es war etwas Mystisches, Unbeschreibliches, über das er in den Büchern gelesen hatte. Niemand hatte je vermocht eine derartige Verbindung zu erklären. Dennoch gab es Gelehrte, die von der einen Seele sprachen, die für einen bestimmt war. Laut diesen alten Texten gab es nur wenige, denen das Glück zuteil wurde diesen Seelenpartner zu finden. André hatte noch nie an Derartiges geglaubt, doch nun traf ihn die Erkenntnis wie ein Schlag. Er setzte sich auf, massierte die Schläfen. Dann griff er zum Telefon. „Der Assassine hat Natalie Adam in seiner Gewalt“, sagte er zu Gerald.
„Seid Ihr Euch sicher?“
„Ja.“ André stand auf und zog sich mit einer Hand an. „Habt Ihr eine Idee, wohin der Assassine Natalie bringen wird?“
„Ich kann nur vermuten. Vielleicht zu sich nach London, in das Haus der Greys?“
„Sichert die Gegend um das Haus ab, ich werde mich darum kümmern.“
„Es könnte eine weitere Falle sein.“
„Davon gehe ich aus.“
„Dann überlasst es meinen Leuten.“
„Nein. Dieser Kerl scheint es auf mich abgesehen zu haben und ich werde mich ihm stellen, ihn vernichten und anschließend trete ich als Ratsmitglied zurück“, sagte André.
„Was ist mit den Gesetzen? Auch wenn alles darauf hindeutet, dass Zacharias der Drahtzieher ist, hat er ein Recht auf eine Anhörung vor dem Rat.“
„Vielleicht habt ihr recht, Gerald. Aber überlasst das mir.“
28.
London, 11. Juni 2007
„N un lernen wir uns also endlich persönlich kennen“, sagte eine leise, aber kraftvolle Stimme.
Natalie kam behäbig zu sich, als sei ihr Geist auf den Boden eines tiefen Sees gesunken und tauche nur langsam wieder auf. Sie schlug die Augen auf und starrte in grelles Licht. Ihr Kopf schmerzte. Langsam formte sich hinter dem hellen Schleier eine Art Gefängniszelle. Kalte, graue Wände wie aus Pappmaschee, ein Bett aus Rohren, in der Ecke eine Toilette aus rostigem Blech. Das Licht kam von Neonröhren an der Decke und einem Halogenscheinwerfer, der wie das Licht eines herannahenden Zuges in ihr Gesicht fiel. Ihre Arme lagen auf Lehnen aus grobem Holz und waren mit Kabelbindern so fest an das Holz geschnürt, als wären sie ein Bestandteil des Möbelstücks. Ihren Kopf konnte sie bewegen. In einer Ecke des Raumes sah sie den Assassinen und sein Anblick war wie immer scheußlich.
„Du musst keine Angst vor ihm haben, er tut dir nichts. Zumindest jetzt noch nicht“, hörte Natalie die Stimme sagen.
Es dauerte einen Moment, bis sie den schmächtigen, alten Mann erblickte, der hinter dem Lichtschleier des Halogenscheinwerfers stand.
„Was wollen Sie von mir?“
„Von dir?“ Der Mann schüttelte den Kopf und seine Unterlippe drückte sich nach vorne, wie bei einem kleinen Kind, das schmollte. „Gar nichts. Du bist nur der Köder an der Angel. Der Wurm, mit dem ich den dicksten Fisch im Teich fangen will.“
„Ihr denkt also, André wird kommen, um mich zu befreien?“
„Du bist schlau, mein Kind.“
„Leider muss ich Sie da enttäuschen. Euer Vampirfürst schert sich einen Dreck um mich. Ich bin nur ein Mensch.“
„Er wird kommen, vertraut mir. Dann wird jeder Vampir sehen, dass André Barov sich einen Dreck um seine eigenen Gesetze schert. Und danach werden wir ihn töten.“
„Ich wünschte das würde er tun, aber Sie irren sich.“
Der Mann lachte. „An dir klebt noch sein Gestank. Ihr habt euch der fleischlichen Lust
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