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Blutrausch

Blutrausch

Titel: Blutrausch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlie Huston
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Nase rümpft und leise schnieft, passiert gar nichts. Sie nimmt die Brille ab, steht auf und verlässt den Raum. Zwei der Burschen folgen ihr. Die anderen machen sich nicht mal die Mühe, mir eine Abreibung zu verpassen. Sie stehen nur herum und behalten mich im Auge. Sie stellen sich nebeneinander an eine Wand, damit sie sich nicht gegenseitig über den Haufen schießen, sollten sie das Feuer eröffnen müssen.
    Ich mache das Beste draus, rauche den Rest der Marlboros und trete die Kippen auf dem Teppich aus. So schlage ich die Zeit tot.
     
    Eine Stunde vergeht. Mir gehen die Zigaretten aus. Die Jungs erschießen mich nicht, als ich aufstehe. Ich strecke mich. Immer noch pfeifen mir keine Kugeln um die Ohren. Ich gehe einen Schritt auf sie zu. Sie legen ihre Finger an die Abzüge ihrer Waffen. Ich trete einen Schritt zurück. Sie nehmen den Finger wieder weg. Anscheinend gehört mir eine Seite des Raums und ihnen die andere. Ich sehe mich um.
    Als sie mich hier reinbrachten, hatte ich einen Sack über dem Kopf. Trotzdem bin ich mir ziemlich sicher, dass wir uns in dem Wohnblock befinden, den wir andauernd umrundet haben. Oder zumindest ganz in der Nähe. Wir sind über eine Rampe in eine Tiefgarage gefahren. Der Aufzug war ziemlich schnell und hat uns direkt in dieses Apartment gebracht. So, wie die Vandewater von der Aussicht geschwärmt hat, vermute ich, dass wir uns irgendwo zwischen dem sechsten und zehnten Stock befinden. Aus den anderen Räumen oder den Wohnungen nebenan ist nichts zu hören. Liegt wahrscheinlich an den massiven Ziegelwänden aus der Vorkriegszeit. Die Holzverkleidungen und der Stuck an der Decke sind nicht weiß überstrichen wie in den meisten Altbauwohnungen Manhattans. Es muss eines dieser schlossähnlichen Anwesen am Morningside Drive sein, direkt über dem Park.
    Ich werfe einen Blick auf die Wände. Ein paar schöne Drucke, Van Goghs Sonnenblumen, ein Remington. Edel, aber nicht mein Stil. Daneben ein paar Plaketten, Messing auf schwarzem Holz, auf denen der Name Vandewater groß und deutlich eingraviert ist. Auszeichnungen. Danksagungen für soziale Verdienste oder Spenden. Solches Zeug eben. Dazu ein vergilbtes Diplom der Columbia-Universität aus der Zeit, als es noch das King’s College war. Weitere Diplome der Columbia von Männern und Frauen aus dem Vandewater-Clan. Die meisten ziemlich alt, aber auch ein paar neuere sind darunter.
    Ich studiere die neueren genauer. Ein Großteil sind Abschlüsse in Biologie. Das bringt mich zum Nachdenken. Ich denke an die Hochschule gleich um die Ecke und an die Leute, die sie besuchen. Das werde ich mal im Hinterkopf behalten. Wenn ich Glück habe, kann ich der Sache irgendwann mal nachgehen. Ich habe da nämlich so eine Ahnung.
    Ich sehe mich weiter um.
    Auf einem Tisch am Ende der Couch stehen ein paar Fotos in Silberrahmen, die von einer Schirmlampe beleuchtet werden.
    Ich betrachte sie mir. Muss blinzeln. Gucke noch mal hin. Hebe eines auf.
    Vandewater. Predo. Terry Bird.
    Die Tür öffnet sich. Vandewater betritt den Raum. Die Jungs, die ihr folgen, schleifen einen schlaffen Körper mit einem Sack über dem Kopf hinter sich her.
    Sie nimmt mir das Foto aus der Hand.
    – Ich weiß nicht, warum ich das immer noch aufbewahre.
    Sie setzt ihre Brille auf und starrt auf das Bild.
    – Es erinnert mich wohl an glücklichere Zeiten. Obwohl ich es hasse, als nostalgisch bezeichnet zu werden. Nostalgie fesselt einen an die Vergangenheit und verstellt den Blick auf die Zukunft. Aber es ist nichts Ehrenrühriges daran, stolz auf seine Geschichte zu sein und sie gebührend zu würdigen. Man darf sich nur nicht darin verlieren.
    Sie tippt mit ihrem kurz geschnittenen Fingernagel gegen das Glas des Bilderrahmens.
    – Ich habe versucht, das auch den beiden Jungs hier beizubringen.
    Ihr Finger hat das Glas verschmiert. Sie zieht an einem ihrer Ärmel und benutzt ihn, um den Fleck wegzuwischen.
    – Ich bin mir nicht sicher, ob Bird es jemals begriffen hat.
    Sie stellt das Foto auf seinen Platz zurück.
    – Predo dagegen hat es viel zu weit getrieben, fürchte ich.
     
    – Haben Sie sich nie über die Bezeichnung Koalition gewundert?
    – Eigentlich nicht.
    – Ist es Ihnen nie aufgefallen, dass es doch ein eher ungewöhnlicher Name für eine so straff organisierte, einheitliche Organisation ist?
    – Wie gesagt, darüber hab ich noch nicht nachgedacht.
    – Ja. Sie kommen mir überhaupt wie jemand vor, der das nur selten tut. Sie bemühen nicht gerne

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