Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Blutrose

Blutrose

Titel: Blutrose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margie Orford
Vom Netzwerk:
erster Stelle. Sie sagt, genau das müssen sie erleben: dass sie an erster Stelle sind für jemanden. Aber ich sage ihr, sie soll sie allein lassen und zu mir kommen. Ich sage, sie soll sie abholen am nächsten Morgen. Ich sage ihr, sie sind es gewohnt, für sich selbst zu sorgen. Dass ihnen nichts passiert. Und so war es.«
    Scheinbar hypnotisiert von den Flugkünsten einer Seemöwe beobachtete Juan Carlos, wie sie auf einer Luftsäule wendete. »Ihnen ist nichts passiert, nur der eine ist krank geworden. Deswegen wir streiten. Sie fühlt sich schlecht, weil sie die Jungen draußen hat allein gelassen. Sie gibt sich Schuld. Am nächsten Tag wir sind wieder raus und wollten sie abholen, aber sie waren nicht mehr da. Sie hat sie später an der Müllkippe gefunden. Sie sagen, sie sind zu Fuß zurückgegangen; darum ist der Kleine krank geworden.«
    »Und deswegen haben Sie Mara geschlagen?«, fragte Clare.

    »Ich wollte nicht, dass sie Ihnen erzählt.« Juan Carlos sah auf seine Füße. »Sie wollte zu Ihnen gehen oder zu der anderen Polizeifrau und erzählen, dass sie mit ihnen allen draußen gewesen war, und jetzt sind sie alle tot. Sie war ganz verrückt deswegen. Ich sage ihr, das ist bloß Zufall. Ich sage immer, nein, wenn sie alles erzählt, dann wird die Polizei sie und mich verhören. Und morgen legt das Schiff ab. Wenn die Polizei Fragen stellen will, dann kann ich nicht mitfahren, und ich bekomme keinen Bonus.«
    »Wie viele Jungen waren noch mal da draußen?«, fragte Clare.
    »Fünf. Es war ein Turnier mit fünf in jeder Mannschaft.«
    Zwei. Drei. Fünf. Einer ohne Kennzeichnung. Einer, der verschwunden war. Clare überschlug, wie lange sie brauchen würde, um anschließend zur Müllkippe zu kommen. Eine halbe Stunde, tippte sie.
    »Sie müssen ab sofort an Bord bleiben«, sagte Clare. »Sie stehen unter Bewachung durch Kapitän Johansson.«
    »Warum denn?« Juan Carlos’ Augen bekamen einen flehenden Ausdruck. »Was habe ich getan?«
    »Sie waren der Letzte, mit dem sie zusammen gesehen wurde«, erklärte ihm Clare. »Wenn Sie es vorziehen, können Sie auch mit mir an Land kommen und in eine Zelle gehen.«
    Juan Carlos erbleichte. »Außerdem brauche ich Ihr Handy.« Clare streckte die Hand aus.
    »Warum das?«, fragte Juan Carlos. »Ich habe doch schon gesagt, sie hat mir SMS geschickt.«
    »Ich möchte alle Anrufe auf Ihrem Handy überprüfen«, sagte Clare. »Und zwar die ein- wie ausgehenden. Sie haben die Wahl: Entweder ich nehme Ihr Handy zur Überprüfung mit, oder Sie kommen mit, und ich stecke sie in eine Zelle wegen Behinderung der Polizeiarbeit.«
    Clare bluffte, doch er war ein Ausländer, der gern nach Hause
wollte. Es funktionierte. Juan Carlos’ Kampfgeist erlosch, und er überließ ihr das Handy.
    »Ragnar«, sagte sie, »kannst du ihn unter Bewachung stellen?«
    »Kein Problem«, sagte Ragnar. »Wir legen bald ab. Wenn du ihn länger brauchst und gute Gründe dafür hast, werde ich ihn der namibischen Polizei überstellen müssen.«
    Ragnar begleitete Clare zur Leiter. »Glaubst du, er hat dem Mädchen was angetan?«, fragte er.
    »Die Wahrscheinlichkeit spricht gegen ihn.«
    »Du bist keine Spielerin, Clare.«
    »Nein, das bin ich nicht. Aber ich werde auch kein Risiko mehr eingehen. Wenn Mara wusste, was diesen Jungs zugestoßen ist, dann könnte es Juan Carlos ebenfalls wissen. Ich möchte ihn im Auge behalten. Und sei es nur um seinetwillen.« Clare trat auf die Leiter, um zu dem Motorboot hinabzuklettern, das unten auf sie wartete. »Wohin fahrt ihr eigentlich?«, fragte sie.
    »Nach Luanda, gleich nach der Inspektion der Inhaber morgen«, sagte Ragnar. »Und von dort aus nach Spanien. Du kannst dir vorstellen, dass ich das hier brauche wie ein Loch im Kopf.«

46
    Auf der Müllkippe war es ruhig. Das erste Geschwader von Mülllastern war schon wieder abgefahren, und die Verbrennungsanlage paffte in den Himmel. Die Jungen, die Clare bei ihrem ersten Besuch so neugierig begrüßt hatten, verzogen sich still und leise. Sie ging zu dem Unterstand, wo Kaiser Apollis und Fritz Woestyn eine Matratze geteilt hatten. Das Bett war unberührt, genau wie das magere Sortiment an Kleidungsstücken.
Einer der mutigeren Jungen stand abwartend im Eingang, hinter ihm versteckte sich ein Kind.
    Clare rief ihn zu sich und zeigte ihm das Foto von Maras Fußballteam. »Wo ist der hier?«, fragte sie.
    Die Miene des Jungen erstarrte zu einer Maske. »Ronaldo ist weg«, sagte er leise.
    »Wohin?«
    Der

Weitere Kostenlose Bücher