Blutrose
mit ihr zusammen.« Clare sagte das betont leise und auf aggressive Weise vertraulich. »Sie sind mit ihr heimgefahren und haben mit ihr geschlafen, könnte ich mir vorstellen.«
Juan Carlos schüttelte den Kopf. »Nein, nein. Ich habe sie verabschiedet und dann ich bin zurückgekommen an Bord.« Er sah Ragnar an. »Ich hatte Landgang. Vierundzwanzig Stunden.«
Clare nahm Juan Carlos’ Hand in ihre und strich über die blutigen Knöchel, den Kratzer an dem sehnigen Handgelenk, den Siegelring mit dem silbernen Totenkopf und den beiden gekreuzten Knochen.
»Sie haben sie nicht zum Flughafen gebracht?«
»Sie wollte nicht mit mir hingehen«, sagte er. »Was ist mit ihr? Wieso sind Sie hier?« Er riss seine Hand zurück.
»Warum haben Sie Mara geschlagen?«, fragte Clare.
»Ich liebe sie.« Juan Carlos sagte das ohne jede Ironie.
Clare meinte den dunklen Parkplatz vor sich zu sehen. Die erhobene Hand. Maras glatte Wange. Der Ring, der ihre straffe Haut aufriss. Der blaue Fleck, der sich darunter bildete.
»Ich war wütend, weil sie wegwollte«, fuhr Juan Carlos fort. »Ich war … Ich weiß nicht, wie man sagt.«
»Aufgebracht?«
»Ja, ja, ich war wirklich aufgebracht. Sie genauso. Sie war traurig, weil sie aus Namibia weggehen muss; es hat ihr gefallen hier, ihre Arbeit auch. Und sie war traurig, weil sie weggehen muss von mir. Also streiten wir. Und dann sie geht weg.« Er sah Clare in die Augen und schaffte es damit, die Machtbalance zu ihren Ungunsten zu verschieben. »Sie haben nie gestritten mit jemandem, bevor sie weggehen?«
»Und da haben Sie Mara das letzte Mal gesehen?« Clare
übernahm wieder die Kontrolle. »Auf dem Parkplatz? Wo Sie sie geschlagen haben?«
»Ja«, sagte er und lehnte sich gegen die Wand. »Nein.«
»Sie waren eine Weile nicht in der Bar.« In der Stille registrierte Clare das hartnäckige Klacken der Perlen in Juan Carlos’ Hand. »Nicolai zufolge eine ganze Stunde lang. So lange hält man sich selten auf einem Parkplatz auf.«
»Okay, okay.« Juan Carlos zündete sich eine Zigarette an. »Sie ist weggegangen. Am Anfang ich war sehr wütend, aber dann denke ich, ist sie nach Hause gegangen? Ich will ihr sagen, es tut mir leid, also gehe ich ihr hinterher. Nichts. Sie ist schnell weggegangen, also gehe ich zu ihrem Haus. Ihr Licht ist an, und ich klopfe an ihr Fenster. Sie macht nicht auf. Ich rufe an auf ihr Handy. Sie antwortet nicht. Ich denke, vielleicht ist sie im Bad. Aber sie will nicht mit mir sprechen. Darum spreche ich Nachricht auf, sie soll mich anrufen, und es tut mir leid. Es ist kalt, und ich will nicht aufwecken die andere Leute im Haus. Sie ist wütend. Sie ist immer noch eine Frau, selbst wenn sie aussieht wie ein Junge. Und ich denke, was kann ich noch tun? Darum ich komme zurück in die Bar.« Er sah Ragnar an, der nickte.
»Und wann war das?«, fragte Clare.
»Drei Uhr, drei Uhr dreißig, nehme ich an«, antwortete Ragnar. »Kurz bevor ich losgegangen bin.«
»Dann ich bekomme am nächsten Morgen ihre SMS, sie will sich versöhnen am Flughafen. Hier, schauen Sie.« Juan Carlos zog das Handy aus seiner Hosentasche, suchte die SMS heraus und streckte Clare den Bildschirm ins Gesicht. »Ich war schon an Bord«, sagte er. »Ich kann sie also nicht wiedersehen. Ich habe ihr SMS geschrieben, aber nichts. Es war zu spät. Sie war schon in dem Flugzeug.«
»Sie haben sie geschlagen, weil Sie so aufgebracht waren, und das hat sie Ihnen so schnell verziehen?«, fragte Clare. »Sie lügen, Juan Carlos.«
»Sehen Sie das?« Juan Carlos streckte den Arm in Richtung Wüste aus. Der Wind peitschte Zungen feuerroten Sandes in den Himmel. Der Sandsturm schickte sich an, die verbarrikadierte Stadt anzugreifen. »Deswegen wir haben gestritten«, ereiferte er sich.
»Ich kann Ihnen nicht folgen.« Clare sah ihn an. »Erklären Sie mir das.«
»Der Ostwind … Er ist schon auf dem Weg«, fuhr Juan Carlos fort. Er klang resigniert. »So war das Wetter auch an dem Wochenende, über das wir uns immer wieder streiten.«
»Was war an diesem Wochenende?«
»Sie ist raus in die Wüste, und der Ostwind, er hat geweht. Sie hat ihre Fußballjungen mitgenommen. Kaiser Apollis, Lazarus Beukes, die anderen Namen weiß ich nicht. Zum Zelten am Kuiseb. Es war eine Belohnung, weil sie so gut sind in einem Fünfer-Fußballturnier. Wir kommen an gleichem Wochenende wieder zurück in den Hafen, und ich rufe sie an. Sie wollte nicht kommen, weil für sie die Jungen kommen immer an
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