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Blutrose

Blutrose

Titel: Blutrose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margie Orford
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Junge zuckte die Achseln. »Miss Mara hat ihn mitgenommen.«
    »Mara hat ihn mitgenommen? Wohin? Wohin hat sie ihn gebracht?« Clares Stimme begann zu beben.
    »In die Wüste.« In den Augen des Jungen glomm etwas auf, doch Clare vermochte es nicht zu deuten. »Er ist nicht zurückgekommen.«
    »Okay, wohin hat sie ihn gebracht?« Clares Stimme wurde weicher.
    »Fragen Sie Mr Meyer«, sagte der Junge. »Er weiß, wohin sie gehen.«
    Der jüngere Bursche formte die Hände zu einer Schüssel und sah Clare flehend mit großen Augen an. »Haben Sie Geld für Brot, Madam?« Clare kramte in ihrer Handtasche nach Kleingeld.
    George Meyer saß allein in seinem Büro und hatte die Hände auf der leeren Schreibtischplatte gefaltet. Die Krawatte war so straff unter dem Adamsapfel zugezogen, dass eine Hautfalte auf den Kragen hing.
    »Was wollen Sie diesmal, Dr. Hart?«, fragte er, als Clare in der Tür erschien.
    »Diese Jungen. Vier sind tot. Und jetzt ist Mara verschwunden.« Mara lehnte das Foto an seine gefalteten Hände. »Wo ist der hier?«
    Meyer nahm das Foto in die Hand und betrachtete den zerbrechlich wirkenden Jungen. Über den knochigen Rippen spannte sich die Haut wie eine Zeltplane. »Ronaldo. Den habe
ich länger nicht mehr gesehen. Er war krank.« Er reichte Clare das Foto zurück.
    »Wo kann ich ihn finden?«, fragte Clare. »Falls er noch nicht tot ist.« Clare beugte sich vor. Sie versuchte sich ihre Ungeduld nicht anmerken zu lassen.
    »Wenn ihn überhaupt jemand aufnimmt, dann die Barmherzigen Schwestern.«
    Clare fiel Lazarus’ Angst vor den Nonnen wieder ein. »Und wo finde ich diese Barmherzigen Schwestern?«
    »Draußen im Kuiseb, hinter dem Delta. An der Straße nach Rooibank. Sie sehen die Abfahrt dann schon.«
    »Ein Kloster?«
    »Inzwischen ist es ein Hospiz. Die Schwestern nehmen Menschen auf, die sonst niemand mehr will.«
    »Und Mara hat ihn dorthin gebracht?«
    »Genau. Die Jungs auf der Kippe sind wie ein Rudel Hunde; sie sorgen füreinander. Aber der Kleine war das Schlusslicht im Wurf. Mara hatte ihn ins Herz geschlossen. Sie hatte es mit den Underdogs. Was glauben Sie, warum sie Oscar so gern hatte?« Meyer blieb die Stimme in der Kehle stecken. »Oder mich?«

    Clare bog von der Teerstraße ab und ließ die Kette von Telefonmasten und Leitungen hinter sich, die sich bis zum Flughafen hinzog. Hier gab es nichts mehr zu sehen als das hypnotisierende Schotterband, das dem Wagen entgegenrollte und sich hinter ihr in einer Staubfontäne auffächerte. Der freiliegende schwarze Fels erhob sich aus dem roten Sand wie das blank gewaschene Skelett eines Urzeittieres. Clare rumpelte ihm auf der Piste entgegen und entdeckte zu ihrer Überraschung einen faszinierenden grünen Spalt in der vor Hitze rissigen Oberfläche. Der Konvent war in die kühlen Überhänge und Höhlen gebaut worden, die zusammen diese Oase bildeten.

    Clare parkte und ging zu Fuß den gefegten Weg entlang, der in ein perfektes Amphitheater führte. Eine Frau, deren Lächeln atemberaubend weiß aus ihrem dunklen Gesicht strahlte, kam ihr entgegen. Ein loses Kopftuch bedeckte ihr Haar, die knorrigen Füße steckten in stabilen Sandalen. Eine barmherzige Schwester.
    »Willkommen.« Die Frau nahm Clares Hand zwischen ihre kühlen Handflächen. »Kommen Sie aus der Sonne.« Sie führte Clare auf eine schattige Veranda. »Warten Sie hier. Ich hole die Mutter Oberin.«
    Clare setzte sich auf die Bank, schloss die Augen und ließ sich bezaubern von der verführerischen, ruhigen Weltabgeschiedenheit in der Oase.
    »Mein Kind.« Eine sanfte Stimme durchbrach die Stille.
    Clare schlug die Augen auf. Eine große Frau stand vor ihr. Ihr Habit lag über breiten Schultern, die aussahen, als würden sie die Last des Herrn mit Leichtigkeit tragen. Die Hand, die sie Clare hinstreckte, war muskulös und schwielig. Das Gesicht war bis auf die Grundzüge verwittert: eine scharfe Nase, geschwungene eisengraue Brauen, ein Gespinst aus Linien und Falten über der gebräunten Haut.
    »Ich bin Schwester Rosa. Willkommen im Konvent.« Ihr akzentschweres Englisch verlieh ihren Worten einen altmodischen Singsang.
    »Guten Morgen, Schwester. Ich bin Clare Hart.«
    »Sie haben kein Gepäck dabei. Ich nehme an, dass Sie etwas Bestimmtes von uns wollen?«
    »Ich wollte Ihnen ein paar Fragen über ein Kind stellen, das hierhergebracht wurde«, eröffnete ihr Clare.
    »Folgen Sie mir.« Schwester Rosas Habit wischte in weitem Bogen herum und zog Clare in seinem

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