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Blutrose

Blutrose

Titel: Blutrose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margie Orford
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Anspannung in ihrem Genick zu lösen und ging zum Telefon, um ihre Zwillingsschwester anzurufen.

    Während sie wählte, sah sie Constance so deutlich vor sich, als wäre sie bei ihr. Der hüftlange Vorhang von dunklem Haar; die kantigen Schulterblätter und eckigen Hüften, die sich unter dem nahtlosen Weiß abzeichneten, das sie immer über ihrem vernarbten Körper trug. Clare ließ das Telefon dreimal läuten. Dann legte sie auf. Wählte wieder. Ließ es noch dreimal läuten. Sie hasste diese Rituale, dieses Nachgeben gegenüber einer Neurose, die sich so tief eingegraben hatte, dass sie ihre Schwester mittlerweile ganz und gar durchdrungen hatte. Genau wie sie selbst, dachte sie und spürte, wie Ärger und hoffnungslose Liebe in ihr aufwallten.
    »Constance«, sagte Clare und sah im Geist ihre Zwillingsschwester in dem düsteren Farmhaus ihrer Kindheit stehen.
    »Ist alles in Ordnung?« Die Stimme ihrer Schwester klang seufzend wie der Wind in den Kiefern. Man musste sich in sie hineinlehnen, um sie zu hören. Was zur Folge hatte, dass alle innehielten und sich vorbeugten, wenn Constance einmal sprach, was so gut wie nie vorkam. Und ihr lauschten.
    »Mir geht es gut«, sagte Clare.
    »Du kommst nicht.« Constances Lachen war wie das Klingeln von hellen Glöckchen. »Ich wusste, dass du anrufen würdest.«
    »Es tut mir leid, Constance. Mir ist was dazwischen gekommen. Arbeit. Ich muss hinfahren.«
    »Die toten Jungen.« Constance sagte es wie selbstverständlich, eine schlichte Feststellung.
    »Woher weißt du das?« Clare spürte ein Kribbeln unter der Haut.
    »Aus dem Fernsehen. Manchmal kriegen wir das namibische Programm rein. Ich habe einen Kurzbericht über einen Jungen auf einer Schaukel in einer Wüstenschule gesehen. Ich dachte, sie wird zu ihm fahren statt zu mir.« Wieder das spöttische, musikalische Lachen. »Ich dachte, er wartet schon auf Clare.«

7
    Früh am nächsten Morgen nahm Riedwaan das Bild auf dem Tisch in Clares Diele in die Hand. Die Mom-Dad-ich-und-mein-Hund-Zeichnung, ein Geschenk von ihrer kleinen Nichte. Er merkte, wie ihm die Sehnsucht nach seinem eigenen Kind die Luft abschnürte. Yasmin. Seine Tochter. Der er sein Herz und seine berufliche Laufbahn geopfert hatte. Nachdem sie entführt worden war, war die leere Hülle seiner ausgedörrten Ehe endgültig zerstoben, und er hatte die Auswanderungspapiere unterschrieben, die es Shazia erlaubten, Yasmin nach Kanada mitzunehmen. Früher hatte ihm Yasmin Bilder wie das in seiner Hand gemalt, doch die Zeichnungen, die sie mittlerweile aus ihrem neuen Heimatland schickte, wirkten weniger lebensfroh. Sie hatte ihm stolz erklärt, dass sie inzwischen nicht mehr über den Rand malen würde. Das gefiel Shazia bestimmt: dass Yasmin sich bemühte, die Grenzen nicht zu übertreten. Riedwaan öffnete Clares Wohnungstür. Das mochte er an Clare, ihre Lässigkeit gegenüber allen Grenzen.
    Auf der Straße war es kalt, und sein Atem hing dampfend in der frühmorgendlichen Luft, als er Clares Koffer in seinen Mazda wuchtete. Der Kofferraum war eigensinnig, seit ein Betrunkener ihm mit seinem Porsche hinten reingefahren war. Gerade als Riedwaan die Haube zuknallte, spürte er kaltes Metall auf seiner Halsschlagader und einen warmen Hauch im Nacken. Der Zorn peitschte ihn herum, seine Finger umschlossen das Handgelenk und knickten es ab. Es fühlte sich falsch an. Mollig. Weich.
    »Immer noch schnell, Captain. Immer noch der Cop aus dem Malayenviertel.« Ein Kichern, kein Schnauben. »Das ist der Bo-Kaap Skollie in Ihnen.«
    »Rita.« Zornig und kurzatmig ließ Riedwaan ihr Handgelenk los. »Irgendwann werden Sie dabei noch erschossen.«

    Sie lachte noch einmal. »Sie haben mich ausgebildet, Captain. Aber ich bin jünger und schneller, also seien Sie auf der Hut. Ist Clare noch oben?«
    »Ja, gehen Sie rauf, es ist offen.«
    Sergeant Rita Mkhize schlenderte zum Hoftor. Riedwaan wusste, ohne gekränkt zu sein, dass sie ihn bald beruflich überholen würde. So lief das inzwischen.
    »Ich bin’s, Clare«, rief Rita in die Gegensprechanlage. »Entschuldige, dass ich so spät komme.«
    Clare empfing sie auf halber Treppe. »Hier sind die Schlüssel. Fritzis Essen ist dort, wo es immer steht. Die Nummer vom Tierarzt hängt am Kühlschrank. Ich habe dir im Gästezimmer ein Bett gemacht.« Sie übergab Rita die Schlüssel und einen dicken Umschlag. »Das sind ein paar Sachen, die Fritzi mag. Ich dachte, das könnte von Nutzen sein. Sag aber Riedwaan nichts

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