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Blutrose

Blutrose

Titel: Blutrose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margie Orford
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angeritzt. Aber
es ist kaum Blut ausgetreten, folglich müssen die Verletzungen eindeutig einige Zeit post mortem zugefügt worden sein.«
    Helena spülte den Rest des zierlichen Körpers ab und strich dabei mit den Händen sanft über die verheilten Peitschennarben. Sie untersuchte die Füße und zog dabei die Zehen auseinander. Die zarte Haut dazwischen war noch rosa, der letzte Verweis auf eine zu früh beendete Kindheit. Um die Zehen herum hatte sich eine Kruste aus Salz und Sand gebildet, so als hätte Kaiser Apollis sie in den Sand gebohrt und eine Welle darüberspülen lassen.
    »Sieht aus, als wäre er durch Sand gegangen, bevor er seine Schuhe angezogen hat«, sagte sie und schabte vorsichtig eine Probe des Bodens ab. »Ich könnte untersuchen, ob der Sand der gleiche ist wie der in seinen Haaren.«
    »Sie untersuchen nicht nur Einschüsse, sondern nehmen auch Bodenproben?«, fragte Tamar.
    »Mein Freund ist Geologe. Er glaubt, dass er mich am ehesten dazu bekommt, ihm einen zu blasen, wenn er mir detailliert alles über die verschiedenen Boden typen der Namibwüste erzählt.«
    »Klappt das?«, fragte Clare.
    »Sagen wir mal so; dann ist er wenigstens still.«
    »Haben Sie schon mal daran gedacht, ihm was zu essen zu geben?«, fragte Tamar.
    »Igitt!«, wehrte Helena schockiert ab. »Ich hasse Kochen.«
    »Meine Damen, auf mich wartet Arbeit. Rufen Sie mich an, wenn Sie fertig sind, Helena.« Mouton legte auf, und eine missbilligende Stille senkte sich über den Raum.
    »Ups!« Helena grinste Clare und Tamar an. »Ich fange jetzt mit dem Aufschneiden an. Das wird eher eklig. Organe, Hirn und Schleim. Ich entnehme für Sie auch Gewebeproben aus der Lunge. Außerdem werden wir feststellen, was er zuletzt gegessen hat. Falls Sie beide lieber gehen möchten, mache ich das hier alleine fertig.«

    »Wir müssen ohnehin mit Kaisers Schwester sprechen«, sagte Tamar. »Clare, Lazarus hat Ihnen doch erzählt, dass Kaiser sie letzten Freitag besuchen wollte. Vielleicht kann sie uns noch etwas Neues berichten.«

14
    Die kalte Luft vor der Pathologie war eine Erholung. Kaiser Apollis’ Geheimnisse würden ihm aus dem Leib geschnitten werden. Die eingebetteten Organe voneinander getrennt. Leber, Herz und Lunge in Edelstahlschalen gelegt, gewogen und untersucht. Clare bezweifelte, dass dieses blutige Gewühle viel erbringen würde. Die Wahrheit über seinen Tod lag in den düsteren Windungen im Hirn eines anderen Menschen verborgen. Dies war ihr Labyrinth; und sie eine Ariadne, die mit nichts als dem dünnen Faden ihres Instinkts ausgestattet war.
    Den Fuß fest auf das Gaspedal gestemmt, war Tamar mit Clare an den Lagerhäusern und einfachen Siedlungshäuschen vorbeigejagt, die sich im Norden der Stadt ins Land fraßen. Der Wind peitschte gegen die farbigen Wäschestücke, die an den Zaun gehängt waren, der die letzte Reihe von vollgepferchten Häusern gegen den unablässig wehenden Sand verteidigen sollte. Die Dünen schienen mit jeder Böe näher aufzurücken. Ein dünnes Mädchen kehrte die Betonstufe vor ihrer Haustür sauber. Sie hatte das gleiche herzförmige Gesicht, den gleichen grazilen Körperbau wie der tote Kaiser. Auf ihrem hohen Wangenknochen leuchtete ein Bluterguss, der sich wie ein Schmetterlingsflügel um das mandelförmige Auge schmiegte. Auf ihrem Rücken war ein Baby festgeschnürt, das vielleicht ein, zwei Tage älter war als der Bluterguss.
    »Captain Damases«, flüsterte das Mädchen, sobald sie in Hörweite waren.

    »Hallo, Sylvia«, sagte Tamar. »Das ist Dr. Hart.« Tamar hakte den Torriegel aus und trat in den ordentlichen Vorgarten. Ein dürrer Hund kläffte. Sylvia hob drohend die Hand. Der Hund kuschte und verstummte. Benommen sah sie wieder auf die beiden Frauen. Fürsorglich legte Tamar die Hand auf den Arm des Mädchens. »Sollen wir reingehen?«
    »Verzeihung.« Sylvia schreckte auf. Das Haus war leer, doch in der Luft lag der Mief von Schlaf, billigem Kaffee und Trauer. Ein Fernseher spuckte sein verschneites Bild in die Düsternis. Sie kamen kaum zwischen den viel zu großen Möbeln durch. Sylvia schaltete den Fernseher aus und das Radio, und die Stille hielt knisternd Einzug in dem ausgekühlten kleinen Haus.
    »Wie geht es dir?« Tamar strich über die geschwollene Wange des Mädchens.
    Sylvia senkte den Blick. Zwei dicke Tränen schoben sich unter ihren Wimpern durch, rollten über die Wangen und klatschten auf die milchgeschwollenen Brüste. Das war alles.
    »Das Baby?«

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