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Blutrose

Blutrose

Titel: Blutrose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margie Orford
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funktioniert.« Mara holte Luft. »Ich habe funktioniert, und das zum ersten Mal.«
    Auf einem weiteren Foto hatte Mara ihre Arme um einen dunkelhaarigen Mann geschlungen. »Ihr Freund?«, fragte Clare.
    »Juan Carlos.« Mara sank mit dem Rücken gegen die Wand. »Soll ich Ihnen von Kaiser erzählen?«, fragte sie. »Und den anderen?«
    »Fangen wir mit Kaiser an«, schlug Clare vor.
    »Was möchten Sie wissen?«
    Clare sah im Geist den Leichnam auf dem Obduktionstisch liegen. Da gab es keine Geheimnisse. Sie wusste, wie viel er gewogen hatte; dass er immer noch Milchzähne hatte; dass er brutal anal vergewaltigt worden war, aber dass das schon wieder verheilt war; dass sein Rücken mit Narben bedeckt war; dass jemand so dicht vor ihm gestanden hatte, dass sich ihrer beider Atem vermischt hatte. Jemand hatte dem gefesselten Kind ins Gesicht gesehen, die Waffe angesetzt, den Abzug durchgedrückt und Kaiser in den Kopf geschossen.
    »Erzählen Sie mir, wie er war«, sagte Clare. »Was er so trieb, wohin er ging, mit wem er zusammen war, wo er schlief, was er aß.«
    »Was er aß?«, wiederholte Mara und spielte dabei an dem ausgefransten Saum ihrer Kapuzenjacke herum. »Alles, was er auftreiben konnte. Fleisch, wenn er welches finden konnte.«
    Clare musste daran denken, wie Lazarus das Brötchen weggeworfen hatte, das Mara ihm gekauft hatte. »Mit wem war er befreundet?«, hakte sie nach.
    »Mit Lazarus, nehme ich an«, sagte Mara. »Und mit Fritz
Woestyn. Sie haben zusammen Fußball gespielt und wie streunende Hunde zusammen auf einem Haufen geschlafen.«
    »Worüber hat er geredet?«
    »Mit mir?« Mara sah Clare offen ins Gesicht. »Mit mir hat er kaum geredet. Ich weiß, dass er seine Schwester Sylvia geliebt hat und dass er gern gezeichnet hat.« Sie verstummte. Schlagartig lag drückende Stille über dem Haus.
    »Erzählen Sie mir«, sagte Clare leise, »wovon er träumte.«
    Mara kniff die Augen zu schmalen Schlitzen zusammen. »Wie sollten seine Träume Ihnen zeigen können, wer ihn und die anderen umgebracht hat?«
    »Träume führen uns manchmal an unvorhergesehene Orte«, sagte Clare.
    »Er wollte leben. Das kann an einem Ort wie diesem ein ziemlich ehrgeiziger Traum sein.« Das Schweigen spannte sich straff wie ein Drahtseil zwischen ihnen.
    »Er wollte zur Schule gehen.« Ein erster, zaghafter Fuß auf dem Drahtseil der Geschichte, die sie erzählen wollte. »Er wollte zeichnen.« Noch ein Schritt. Mara sah Clare an, als würde sie in ihrem Gesicht etwas suchen. »Er wollte eine Mutter. Das war so ziemlich alles, wovon Kaiser träumte«, sagte sie. »Seit ich hier bin, sind so viele Kinder um mich herum erst krank geworden und dann gestorben. Aids. Darum sind die meisten von ihnen auch auf der Straße gelandet. Und wenn sie das Virus nicht von ihren Eltern mitbekommen haben, fangen sie es sich bald von ihren Kunden ein.« Maras Schultern sackten nach unten.
    »Wann haben Sie ihn das letzte Mal gesehen?«
    »Freitagnachmittag«, erklärte Mara entschieden. »Da haben wir immer Training, und das hat er nie verpasst. Beim Sonntagstraining habe ich ihn nicht gesehen. Die Wochenenden sind so eine Sache. Da sind die Jungs weniger« – sie zog an der Kordel ihres Kapuzenshirts – »beständig. Lassen Sie es mich so sagen.«

    »Haben Sie sich erkundigt, wo er war?«
    »Das wollte ich«, erwiderte Mara, »doch dann hat man ihn gefunden, also war das nicht mehr nötig.«
    »Die anderen?«, fragte Clare. »Fritz Woestyn und Nicanor Jones?«
    »Die kannte ich auch«, sagte Mara. »Sie spielten ja auch in meinem Team.«
    »Was spielte sich zwischen Sergeant van Wyk und Kaiser ab?«
    »Ich war dumm«, sagte Mara. »Dumm und naiv. Das war, bevor Fritz Woestyn gefunden wurde. Deshalb machte ich mir keine Sorgen, ich ärgerte mich nur, dass Kaiser bei einem Spiel fehlte. Also fragte ich nach ihm, und als mir einer der Jungs erzählte, dass er eingesperrt worden war, ging ich ihn suchen.«
    »Wo war er?«
    »Bis ich ihn aufgetrieben hatte, hatte man ihn schon wieder auf der Müllkippe abgeladen«, sagte Mara. »Er war verprügelt worden. Schwer. Ich versuchte Anzeige wegen Kindesmisshandlung zu erstatten.«
    »Und was geschah dann?«
    »Absolut gar nichts«, antwortete Mara. »Kaiser ließ nichts raus. Ich wusste, dass er in der Nähe des Hafens aufgelesen worden war. Vielleicht auf dem Strich. Ich wusste, dass van Wyk ihn in eine Zelle gesperrt und ihm die Scheiße aus dem Leib geprügelt hatte, aber Kaiser sagte keinen

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