Blutrose
bekommen hatte.«
»Es war nicht etwa so, dass er in Ihrem Gebiet anschaffen gegangen war, ohne Sie dafür zu bezahlen?«, fragte Clare.
»Sie haben eine blühende Fantasie, Dr. Hart«, fauchte van Wyk. »Bestimmt können Sie sich damit auch vorstellen, was das Gefängnis für einen hübschen Burschen wie Apollis bedeutet hätte. Ich habe es nur gut mit ihm gemeint. Und wenn mich die Damen jetzt entschuldigen würden, ich habe zu arbeiten.« Van Wyk fuhr den Computer herunter, drehte auf dem Absatz um und verschwand aus dem Büro.
»Es tut mir leid«, bekannte Clare, während sie zuschaute, wie van Wyk den Schotter auf dem Parkplatz aufspritzen ließ. »Riedwaan Faizal wäre bestimmt stolz gewesen, wenn er dieses kleine Meisterstück an stiller Diplomatie mitbekommen hätte!« Clare folgte Tamar zu ihrem Büro zurück.
»Jemand musste es ihm sagen«, Tamar setzte sich. »Und dass Sie es gesagt haben, macht mir das Leben einfacher. Ich weiß nur nicht, ob Sie sich das Leben damit ebenfalls einfacher gemacht haben.« Sie zog die Akte auf ihrem Tisch zu sich her.
»Was haben Sie da?«, wollte Clare wissen.
»Schiffslogbücher.« Tamar schlug die Akte auf. »Landgänge von Matrosen, Hafenberichte über den Zeitraum, in dem diese Jungen verschwanden.«
Clare blätterte in den Papieren. »Immer noch keine Übereinstimmungen?«
»Noch nicht«, sagte Tamar. »Aber ich werde noch ein paar Dingen nachgehen, die nicht recht zusammenpassen.«
22
Clare saß an ihrem Schreibtisch, wartete darauf, dass ihr Computer hochfuhr, und überlegte währenddessen, was sie Riedwaan erzählen sollte. Sie checkte ihre Mails: neuer Tratsch von ihrer Schwester Julia, eine Mail von Rita Mkhize, die ihr versicherte, dass Fritzi wohlauf war, zwei Nachrichten von Riedwaan. Clare öffnete die erste. Sie hatte mehrere offizielle Anhänge in unverständlichem Bürokratesisch. Die zweite Mail war ohne Betreff. Clare merkte, wie ihr Mund trocken wurde, als sie darauf klickte.
Clare , stand da. Ich hab’s verbockt. Sprich mit mir. R.
Sie lächelte. Sie konnte nicht anders. Die Nachricht war typisch Riedwaan. Direkt. Für ihn war Emotion gleichbedeutend mit Aktion. Als sie sich damals begegnet waren, hatte er sie gewollt, hatte er sie gebraucht. Also hatte er sie sich genommen, so einfach war das. Sie hatte es stillschweigend geduldet, bezaubert von der gänzlich neuen Erfahrung, dass ihre emotionalen Wehrmauern so mühelos gestürmt wurden, und betört von der Schlichtheit, die Riedwaans Begehren ausstrahlte.
Es hatte nur diesen Augenblick der Neugier gebraucht, um in heimtückisches Gewässer abgetrieben zu werden, und nun war sie gestrandet: auf dem Riff ihrer eigenen Verletzlichkeit,
und sie konnte niemandem außer sich selbst die Schuld daran geben.
Sie atmete tief durch und löschte Riedwaans Nachricht mit einem energischen Tastendruck. Dann schickte sie ihm eine knappe Zusammenfassung der bisherigen Ermittlungsergebnisse, die sie in Kopie an Phiri sandte, um jede Vertraulichkeit auszulöschen, die Riedwaan andernfalls vielleicht in die »besten Grüße« am Ende interpretiert hätte.
Um neun Uhr dreißig spazierte sie mit großen Schritten die 2nd Avenue hinunter, ohne sich um die angeketteten Hunde zu scheren, die sie von überallher ankläfften. Nummer 53 stand mit dem Rücken zu den roten Dünen, und obwohl die Fassade mitgenommen wirkte, die Farbe abblätterte und die Fensterläden schief in den Angeln hingen, waren die Fenster frisch geputzt. Clare läutete und wartete ab.
»Darlene Ruyters?« Die Frau im Türrahmen war um die vierzig und zu dünn. Die unbekleideten Fesseln und der Hals zu zerbrechlich. Sie zog die ausgeleierte Strickjacke fester um den Leib. »Ich bin Clare Hart.«
»Wie kann ich Ihnen helfen?« Sie öffnete die Tür und tastete in ihrer Jackentasche nach Zigaretten.
»Ich wollte mit Ihnen über den ermordeten Jungen auf dem Spielplatz sprechen«, sagte Clare.
Darlene hielt ihr die Tür auf, und Clare trat in den düsteren Hausflur. Auf einem kleinen Tischchen hinter der Tür wachte eine welke Topfpflanze über einen Stapel Post.
»Kaiser Apollis.« Darlene ging ihr mit unsicheren Schritten voran in die Küche. »Tee?«
»Bitte«, sagte Clare und sah sich in dem ordentlichen Raum um. An der Hintertür stand ein Paar Turnschuhe neben einer offenen Kiste mit Bürsten und Schuhcreme.
Darlene setzte den Kessel auf und stellte zwei Tassen mit einer Zuckerdose auf ein Tablett.
»Kommen Sie aus Windhoek?«,
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