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Blutrose

Blutrose

Titel: Blutrose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margie Orford
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ist mit der Leiche zurückgefahren. Wir werden die Autopsie sofort vornehmen. Ich fahre gleich mit der Pathologin zurück.«
    »Clare.« Riedwaans Stimme wurde weicher. Nicht jetzt, dachte Clare. Nicht hier. »Ich wollte dir noch sagen …«
    Clare brach einen blütenbeladenen Ast von dem Baum, unter dem sie stand. Sie wusste nicht, was es für Blüten waren, aber die Pflanzen in der Wüste waren alle einzigartig, allesamt darauf spezialisiert, eine winzige Nische zu füllen. Die empfindlichen Blütenblätter dufteten nach Honig, und das feine Aroma passte genauso wenig in diese unwirkliche Gegend wie der zerbrechliche, pollenbeladene Nachtfalter, der ins Mondlicht davonflatterte. Sie wartete ab.
    »Es ist nicht das, was du denkst. Ich wollte nur …«, setzte er an, doch der Satellit war schon weitergewandert und schnitt ihm das Wort ab.
    Clare wischte sich die Hände an den Jeans ab. Ihre Handflächen hinterließen einen gelben Wirbel auf dem Blau. Sie strich über den Pollenfleck. Aber die Farbe klebte an ihrer Jeans,
ihren Händen, ihrem Uhrarmband. Die Pollen würden mit ihr reisen, so angestrengt sie auch daran herumreiben würde. Sie dachte an die toten Jungen und an die ungewissen Pfade, die sie in den Tod geführt hatten. Alle Zeichen, die sie eventuell hinterlassen hatten – Fußabdrücke, Haare, Hautpartikel – waren vom Wüstenwind und den hartnäckig ums Überleben kämpfenden Insekten ausradiert worden. Clare sah wieder auf die Pollen, die an ihr hafteten und um jeden Preis mit ihr reisen wollten, auf die winzige Chance hin, dass sie irgendwo eine empfängnisbereite weibliche Pflanze streifen würde. Sie spürte, wie ihr Puls beschleunigte, als ihre Idee Gestalt annahm. Wenn Lazarus im Kuiseb-Delta einen Baum oder einen blühenden Busch gestreift hatte, dann mussten sich die Sporen dieser Pflanzen in winzigen Hautfalten oder in den Falten seiner Kleidung verfangen haben. Clare stellte sich den unsichtbaren Code vor, der auf dem toten Jungen vermerkt sein musste, und spürte, wie ihr Herz schneller schlug. Auf den anderen genauso: Kaiser, Nicanor, Fritz.
    »Clare!« Helenas Stimme riss sie aus ihren Überlegungen. »Sollen wir zurückfahren? Ich muss mich bald an die Arbeit machen, wenn Sie später was haben wollen, das Sie nach Kapstadt mitnehmen können.«
    Clare ging zu ihr zurück und pflückte dabei einen Zweig von jedem blühenden Busch, an dem sie vorbeikam. »Ich brauche jemanden, der sich mit Pflanzen auskennt.«
    »Dann ist Tertius Myburgh Ihr Mann.« Helena sah sie eigenartig an. »Ein besessener Pflanzensammler, arbeitet am Forschungsinstitut in Swakopmund. Sagen Sie ihm, ich hätte Sie geschickt.«
    Helenas Motorrad erwachte brüllend zum Leben, und Clare stieg hinter ihr auf, nicht ohne ihr Sträußchen vor sich festzuhalten. Sie holperten über den Weg und bogen dann auf die Schotterpiste, die sie nach Walvis Bay zurückbringen würde. Immer wenn der Scheinwerfer über ein Objekt hinwegblitzte,
schien er es wie unter dem Brennglas zu vergrößern: ein altes Autowrack, ein knorriger Baum und ein dahinklappernder Eselskarren, dessen Fahrer sich gegen die Kälte zusammenkauerte, während hinten schläfrige Kinder lagen, die vom regelmäßigen Klatschen des Leders auf dem Rücken des Esels eingelullt wurden.
    Helena stellte das Motorrad auf dem Krankenhausparkplatz ab. Clare brauchte eine heiße Dusche und einen Kaffee, aber voraussichtlich war ihr keines von beiden in nächster Zeit vergönnt.
    Tamar erwartete sie. »Lazarus ist schon drinnen«, sagte sie und führte sie die Stufen zur Pathologie hinauf. »Elias ist zur Müllkippe gefahren, um seinen Tagesablauf zu rekonstruieren.«
    »Und van Wyk?«, erkundigte sich Clare.
    »Ist mit Clinton und Chanel auf dem Revier und nimmt ihre Aussagen auf. Seine Frau und ihre Mutter warteten schon auf die beiden, als wir dort ankamen«, sagte Tamar. »Sie hatten sich schon alles zusammengereimt.«
    »Autsch!«, grinste Clare.
    Im Umkleideraum zogen die drei Frauen Kittel über ihre staubigen Sachen, bevor sie Helena in ihren behelfsmäßigen Obduktionsraum folgten. Das Laken, mit dem Lazarus zugedeckt war, stand an seiner Nase, an den über der Brust gefalteten Händen und an seinen Füßen steil empor. Im Dämmerlicht wirkte die Bahre wie das Marmorgrab eines mittelalterlichen Kreuzritters; dann knipste Helena die Neonröhren an, und er verwandelte sich wieder in einen toten Jungen auf einer Rollbahre.
    »Okay«, sagte Helena. »Fangen wir an?« Sie

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