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Blutrot wie die Wahrheit

Blutrot wie die Wahrheit

Titel: Blutrot wie die Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P.B. RYAN
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Fußspuren. Kleiderschrank und Wäschetruhe standen offen, der Inhalt lag überall verstreut. Aus der Frisierkommode und dem Schreibtisch waren die Schubladen herausgerissen und auf dem Boden ausgeleert worden.
    Eine gelb seidene Polsterbank, die wohl am Fußende des Bettes gestanden hatte, war praktisch in ihre Bestandteile zerlegt worden. Nicht weit davon lag eine Lackschatulle mit aufgesperrtem Deckel. Das mit rotem Samt bezogene Schmuckfach war leer. Nell hob den Boden der Lade heraus, doch auch das Fach darunter war leer. Sie drehte und wendete die Schatulle, suchte nach einem Geheimfach, doch es gab keines.
    â€žSieh dir das an“, meinte Will da, als er die Vorhänge des linken Fensters beiseite zog. Auf der rechten Seite wies der Rahmen eine tiefe Einkerbung auf, als sei dort ein Stück Holz herausgebrochen – oder herausgeschossen – worden. Auch einige der Glasscheiben waren zu Bruch gegangen, wodurch nicht nur sehr angenehm frische Luft in das Zimmer drang, sondern auch der Straßenlärm von unten herauf klang: auf dem Kopfsteinpflaster ratternde Räder, Pferdegewieher und ein Zeitungsjunge, der lauthals rief: „Mrs. Kimball von ihrem Dienstmädchen ermordet! Fiona Gannon des Mordes schuldig!“
    â€žDas ist gewiss die Stelle, wo die erste der von Mrs. Kimball abgefeuerten Kugeln sichergestellt wurde.“
    â€žHier muss auch Fiona zusammengebrochen sein.“ Nahe der westwärtigen Wand deutete Will auf eine große Blutlache, die schwarz war von Fliegen. Und es war keineswegs nur eingetrocknetes Blut dort auf dem Boden, wie Nell bei näherer Betrachtung entsetzt feststellen musste, sondern allerlei undefinierbares Gesudel – wahrscheinlich Knochensplitter und Gehirnmasse. Daneben, an die Wand gelehnt, stand ein großformatiges Ölgemälde, das wohl auch kürzlich erst abgenommen worden war, tat sich doch dahinter ein Wandtresor auf, der weit offenstand und gleichfalls leer war. Das Gemälde zeigte Virginia Kimball, wie sie als Odaliske posierte, ihre Blöße nun bedeckt von einem grausigen Gemisch aus Blut und anderen menschlichen Überresten.
    â€žDas Bild hing noch an der Wand, als auf Fiona geschossen wurde“, stellte Nell fest und zeigte auf den feinen Blutschleier, der sich rings um das von dem Bild ausgesparte makellose Rechteck auf die Wand gelegt hatte. Sie musste die Augen schließen und tief durchatmen, doch der durchdringende Geruch nach Blut und die erdrückende Hitze taten ein Übriges, um auf einmal den Boden unter ihren Füßen bedrohlich schwanken zu lassen.
    Will packte sie rasch bei den Armen. „Soviel dazu, niemals in Ohnmacht zu fallen.“
    Sogleich öffnete sie die Augen wieder, um ihren Blick durch das verwüstete Zimmer schweifen zu lassen. „Danke, es geht schon. Ich dachte mir nur gerade …“ Sie schüttelte den Kopf. „Es ergibt alles keinen Sinn.“
    â€žDas tun wohl die wenigsten Morde.“
    â€žDas meinte ich nicht. Ich wollte sagen, dass die Kugel, die Fiona Gannon getötet hat, unmöglich im Schädel verblieben sein kann, wie der Coroner es behauptet hat, wenn die Austrittswunde so verheerend war, wie sie allem Anschein nach gewesen sein muss. Brady hat sie als einen ‚Krater‘ beschrieben. Er meinte, dass ihre linke Gesichtshälfte praktisch völlig weggeschossen war. Erst dachte ich ja, dass er vielleicht übertreibt, und dass ich mir den Leichnam wohl besser selbst ansehen sollte, um Gewissheit zu haben, aber wenn ich mich hier so umschaue …“
    â€žEr hat nicht übertrieben“, sagte Will sachlich. „Eine direkt am Kopf aufgesetzte Pistole vermag durchaus beträchtlichen Schaden anzurichten.“
    â€žAber wenn dem so ist, müsste dann nicht die Kugel mit … mit all dem anderen auch wieder ausgetreten sein? Würde sie dann nicht hier in die Wand eingeschlagen sein?“
    Will lächelte Nell auf die ihm eigene, freimütige Weise an. „Eine der Freuden an deiner Gesellschaft ist, dass man nie das Offensichtliche erklären muss. Ja, man sollte meinen, dass Blut und Schädelpartikel bei einer so massiven Austrittswunde denselben Weg nehmen wie das Geschoss. Eine Beobachtung, die einem schon der gesunde Menschenverstand nahelegt, und die wohl weder dem Coroner noch Detective Skinner entgangen sein kann.“
    â€žNun … Wollen wir Skinner einfach mal zugestehen, dass er es wirklich

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