Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Blutrot wie die Wahrheit

Blutrot wie die Wahrheit

Titel: Blutrot wie die Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P.B. RYAN
Vom Netzwerk:
unberührt.“
    Nell überkam dieses seltsam schwebende Gefühl, das sie schon manchmal empfunden hatte, wenn sie in Wills Augen blickte – als wäre sie auf einmal schwerelos. Sein Blick ruhte nun auf ihrem Mund. Sie sah, wie sein Hals sich bewegte. Vielleicht hatte er den Kopf ein wenig vorgeneigt, aber vielleicht spielte ihr auch nur ihr so seltsam benommenes, schwindelndes Gefühl einen Streich.
    Sie öffnete schon die Lippen, setzte an, um etwas zu sagen, doch die Worte, die sie sagen musste, – ihr blieb gar keine andere Wahl, als sie zu sagen –, wollten ihr nicht über die Lippen kommen.
    â€žLassen Sie mich sofort los!“ Die Stimme eines Mannes, jung und mit europäischem Akzent, drang auf einmal aus dem vorderen Teil des Hauses her zu ihnen.
    Lautes Gepolter und Klirren folgte, ein schwerer Schlag; Schreie waren zu vernehmen, und es klang, als würde man handgreiflich, bis das wütende Gebrüll des jungen Mannes wieder alles andere übertönte. „Finger weg, ihr Bastarde! Cecilia! Sag ihnen, sie sollen mich sofort loslassen!“
    â€žDas dürfte Felix Brudermann sein.“ Nell raffte ihre Röcke zusammen, nicht undankbar über diese unerwartete Ablenkung, und eilte zur Tür.
    â€žFelix wer?“ Doch Will war schneller als sie und hielt Nell mit schützender Geste zurück, als er die Tür öffnete.
    â€žEr ist der Verlobte, dem Cecilia zu Harrys Gunsten den Laufpass gegeben hat, nachdem sie herausgefunden hatte, dass er mit Mrs. Kimball … äh … verkehrte.“
    â€žOh, mir scheint, ich bin nicht so ganz auf dem Laufenden“, meinte Will und spähte den Hauptkorridor hinunter auf das noch immer andauernde Gerangel.
    Nell reckte sich neugierig, doch selbst auf Zehenspitzen konnte sie Will nicht über die Schulter schauen. „Deine Ritterlichkeit ist wirklich sehr löblich aber keineswegs nötig“, ließ sie ihn wissen und schlüpfte geschwind an ihm vorbei. „Ich habe Brudermann schließlich nichts getan.“
    Entschlossenen Schrittes lief sie den Korridor hinunter in Richtung der von einem riesigen Kronleuchter erhellten Eingangshalle, wo ein paar Männer – Isaac Foster, Martin Hewitt und zwei der rot livrierten Lakaien – den wild um sich schlagenden Eindringling gegen die Haustür gedrängt hatten und ihn nun mit vereinten Kräften festhielten. Harry, die beiden älteren Herren und die Damen sahen aus sicherer Entfernung zu. Ein provenzalischer Konsolentisch lag umgestürzt da, die fragilen vergoldeten Holzbeine zersplittert, der aufgesetzte Spiegel in Scherben auf dem marmornen Boden.
    â€žStörrisches Mädchen …“, erklang es mit einem schweren Seufzer hinter ihr, und im Nu war Will bei ihr und schloss seine Hand um ihren Arm, vielleicht eine Spur zu unsanft. „Halte dich besser von ihm fern. Diese Art von Zorn ist maßlos und kennt weder Sinn noch Verstand.“
    Emily lehnte lässig an einer Säule des Bogenganges, der vom Korridor in das Foyer führte, und schwenkte ihr Cognacglas in der Hand. Als sie Nell und Will kommen hörte, drehte sie sich um und lächelte. „Dritter Akt“, verkündete sie.
    â€ž Cecilia! Sie ist tot, Himmel noch mal! Das war doch nie was Ernstes.“ Felix Jäger Ritter von Brudermann war ein muskulöser junger Mann von recht beachtlicher teutonischer Schönheit. Selbst mit rot angelaufenem Gesicht und tobend vor Wut, sein goldblondes Haar zerzaust und seine Kleider in Unordnung, ließ sich noch immer gut nachvollziehen, weshalb Cecilia sich – mit ihrer Vorliebe für Pracht und Herrlichkeit – von ihm angezogen gefühlt hatte.
    â€žWarum kannst du nicht endlich verschwinden?“, kreischte Cecilia, die Hände zu Fäusten geballt und im luftigen rosa Tüll ihres Kleides vergraben, das Gesicht in Wut und Verwirrung unschön verzogen. „Verschwinde endlich! Was ist eigentlich los mit dir? Warum kommst du immer wieder hierher?“
    â€žIch liebe dich! Und ich will dich heiraten!“, heulte Felix, während er sich weiterhin gegen die Männer zur Wehr setzte, die ihn zu bändigen versuchten.
    Harry – die größte Zigarre, die Nell je gesehen hatte, zwischen den Fingern – antwortete an Cecilias Stelle: „Tja, sie liebt Sie aber nicht. Warum wahren Sie also nicht einfach den letzten Rest Ihrer Würde und …“
    â€žSie

Weitere Kostenlose Bücher