Blutrot wie die Wahrheit
Beziehung zu Virginia Kimball reden würde â wenn es denn eine Beziehung gegeben hatte â, wenn Nell auÃer Hörweite sei.
Doch anstatt nun hinauf in das obere Geschoss zu gehen, zog Nell sich in einen angenehm maskulin anmutenden Raum zurück, eine kleine Bibliothek, die im hinteren Teil des Hauses gelegen war und deren Fenster direkt auf den Garten hinausgingen. Sie hielt sich dicht an der von hohen Bücherregalen gesäumten Wand, um von drauÃen nicht gesehen zu werden â an den Fenstern hingen etliche Pflanzen, aber dafür keine Vorhänge â, stellte sich aber dennoch so, dass sie jedes Wort verstehen konnte, das die Männer nun vertraulich austauschten.
Will erklärte Foster gerade, warum er so plötzlich auf Mrs. Kimball zu sprechen gekommen sei. âEs ist schon Jahre her. Ich war jung und ⦠meine Leidenschaft sehr leicht zu entflammen. Und Mrs. Kimball â¦â
âOh, das müssen Sie mir nicht sagen!â
Beide lachten sie leise und wissend, was mehr als alle Worte über Virginia Kimballs erotische Ausstrahlung sagen mochte.
âDamals meinte ich, in sie verliebt zu seinâ, fuhr Will fort. âIch hätte alles dafür gegeben, wenn sie mich erhört hätte â alles. Aber da war ja dieser italienische Graf â¦â
âDer lebte da noch? Dann muss es ja wirklich schon lange her sein.â
âDreizehn Jahre. Ich habe mich ziemlich zum Narren gemacht, wie junge Männer das eben oftmals tun. Noch eine ganze Weile danach hatte ich mir gewünscht, ihr besser niemals begegnet zu sein. Aber irgendwann begriff ich, dass sie einfach nur klare Prioritäten hatte. Sie wusste ganz genau, was sie wollte, und ich fing fast an, sie für ihre Entschiedenheit zu bewundern.â
âIch weiÃ, was Sie meinenâ, sagte Foster. âSie hatte durchaus ihre Fehler, aber sie war sehr eigenständig, furchtlos â nicht unbedingt Eigenschaften, die man mit weiblichem Liebreiz verbindet, doch bei ihr trugen sie nur noch mehr dazu bei â¦â Er schien nach Worten zu suchen. âSie war so â¦â
Will war schlau genug, die Stille nicht mit Worten zu füllen.
âVirginia und ich â¦â Abermals verstummte Foster. Nell wünschte sich, ihn jetzt sehen zu können.
âDas dachte ich mir schonâ, meinte Will.
âWenn sie wollte, dass ich zu ihr kam, hat sie ein Band an den Knauf der Gartentür gebundenâ, erzählte Foster. âIch wusste natürlich, dass es andere Männer gab, die sie ⦠unterhielt. Manchmal sah ich Besucher des Nachts in ihrem Garten verschwinden und wieder herauskommen. Aber das hat mich nie weiter gekümmert. Ich meine ⦠man trifft ja schlieÃlich Vorkehrungen.â
âNatürlich.â
âIch habe sie nicht geliebtâ, fuhr Foster fort. âIch liebte es nur ⦠nun ja â¦â
âOh jaâ, sagte Will wissend, âich glaube, ich â¦â
âNein, nicht nur, weil sie mit ihrer Gunst so freizügig war. Sie war in dieser Hinsicht ⦠völlig hemmungslos. Ihre Begierden waren ebenso verzehrend wie die eines jeden Mannes, und sie hielt auch nicht damit zurück. Es wurde nie langweilig, mit ihr zusammen zu sein.â
âDas kann ich mir gut vorstellen.â
Als Nell überlegte, was Will nun so alles in den Sinn kam, verspürte Nell einen ziemlich unsinnigen Anflug von Eifersucht.
âUnd sie hat gar nichts von Ihnen erwartet?â, fragte Will. âKeine Liebeserklärungen, kein Heiratsversprechen?â
âGeschenke hat sie wohl erwartetâ, erwiderte Foster. âDoch das verstand sich von selbst. Am liebsten Schmuck. Irgendwann fiel mir allerdings auf, dass sie nie etwas von dem trug, was ich ihr geschenkt hatte. Ich vermute, dass sie die Sachen verpfändet hat.â
âIm Ernst?â Wie klug von Will, seine Erwiderungen kurz zu halten, dachte Nell. Ganz offensichtlich schien Foster Vertrauen zu ihm gefasst zu haben und in der Stimmung zu sein, sich so manches von der Seele zu reden. Da war es am besten, man hörte einfach nur zu.
âNun ⦠ich nahm an, dass sie sich in finanziell bedrängter Lage befand, aber zu stolz war, das einzugestehen. Nachdem ich Schluss gemacht hatte â¦â
âSie waren es, der Schluss gemacht hat?â, vergewisserte sich Will. âNicht sie?â
âIch hatte begonnen, einer jungen Dame meine
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