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Blutrot wie die Wahrheit

Blutrot wie die Wahrheit

Titel: Blutrot wie die Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P.B. RYAN
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hatte schon immer das Gefühl, dass ein nicht unerheblicher Teil von Virginias Reiz für ihn darin bestand, dass sie gleich um die Ecke wohnte. Wussten Sie schon, dass er derzeit dafür plädiert – nun, da David Sears sich endgültig auf seinen Landsitz zurückgezogen hat –, dass der Somerset Club von der Somerset Street, Ecke Beacon in Sears’ Stadthaus verlegt wird?“
    â€žNa ja, Sears’ Haus böte zumindest viel mehr Platz.“
    â€žSchon. Aber es ist auch näher an Pratts Haus“, entgegnete Thurston. „Und das allein interessiert ihn. Orville Pratt macht doch keine weiten Wege, um sich zu vergnügen – oh nein, das Vergnügen kommt zu ihm.“
    â€žWie hat er denn reagiert, als Mrs. Kimball auf dem Ball aufgetaucht ist?“, fragte Nell.
    â€žEr wurde so bleich, dass ich dachte, er bricht uns gleich zusammen. Dann ließ er sich von Virginia in ein stilles Eckchen locken, wo sie ihm das Rote Buch präsentierte und ihn sämtliche Eintragungen lesen ließ, die sie zu ihren gemeinsamen Aktivitäten verfasst hatte.“ Thurston schmunzelte. „Und was er bei diesen Gelegenheiten anhatte.“
    â€žWas er anhatte?“, fragte Nell verdutzt.
    â€žSagen wir es mal so: Nach Mr. Pratts Besuchen waren Virginias hübsche Dessous stets ein wenig außer Form geraten.“
    Ungläubig sah Nell ihn an und versuchte derweil, gewisse Bilder zu verdrängen, die ihr unweigerlich in den Sinn kamen. Will lächelte und nahm einen Schluck seines mit Cognac angereicherten Kaffees.
    â€žVerständlicherweise hat Pratt da klein beigegeben“, meinte Thurston lakonisch. „Er erklärte sich bereit, seinen Kammerdiener am nächsten Abend loszuschicken, um sich mit ihrem Dienstmädchen zu treffen – Clara, ihrem letzten Dienstmädchen. Clara war es nämlich, die sowohl die Briefe zustellte als auch die entsprechenden Zahlungen entgegennahm. Dazu traf sie sich mit dem betreffenden Herrn – meist jedoch mit dessen Diener – des Nachts an einem recht abgeschiedenen Ort, wo er ihr den Umschlag übergab, den sie dann zurück zu Virginia brachte, die ihr daraus sogleich fünf Dollar für ihre Mühen zahlte. Auf diese Weise hat sich Claras Lohn im Laufe der Zeit bestimmt verdoppelt oder gar verdreifacht.“
    Mr. Thurston trank seinen Kaffee aus und stand auf seinen Stock gestützt auf. Er ging zu einem kleinen Ficus-Wäldchen hinüber, das er mit kritischem Blick betrachtete, einige Zweige beiseiteschob und die Erde prüfte. „Am nächsten Abend saß ich gerade mit Virginia bei ein paar Drinks zusammen, als Clara fröstelnd und durchnässt zurückkam – es goss an jenem Abend in Strömen. Clara war ziemlich schlechter Laune. Sie war Schwedin, eine alte Jungfer noch dazu, und wahrscheinlich schon missmutig zur Welt gekommen, immer nur am Meckern und Nörgeln, weshalb man ihren Launen meist weiter keine Beachtung zu schenken brauchte. Aber an besagtem Abend ereiferte sie sich völlig zu Recht darüber, dass Pratts Diener nicht aufgetaucht war. Clara hatte an der verabredeten Straßenecke eine halbe Stunde im strömenden Regen gestanden und auf ihn gewartet, bis sie es dann aufgab.“
    â€žEr hatte zu zahlen versprochen und es dann doch nicht getan?“, fragte Will nach. „Was hat Mrs. Kimball denn dann gemacht?“
    â€žDarüber berieten wir uns gerade, als auf einmal jemand zur Tür hereingestürzt kam, triefend nass und stockbesoffen, und mit einem großen und gefährlichen Dolch, wie ich noch nie einen gesehen hatte, herumfuchtelte. Und raten Sie mal, wer das war.“
    Will setzte sich auf. „Pratt?“
    â€žBetrunken?“, fragte Nell.
    â€žSturzbesoffen“, versicherte ihr Thurston mit Nachdruck, derweil er einige vertrocknete Blätter von den Zweigen zupfte. „Taumelnd, tobend … und er kam nicht allein. Er dachte zwar, er sei allein, aber seine jämmerliche Schwester und seine Tochter waren ihm gefolgt. Nicht Cecilia, die andere, die immer diese seltsamen Sachen …“
    â€žEmily“, sagte Nell. „Und seine Schwester heißt Vera.“
    â€žJa, nun gut, die beiden kamen also hinter ihm her, aber er war so benebelt, dass er es zunächst nicht bemerkte. Er fing an, wegen seines wertvollen Revolvers herumzubrüllen, der ihm anscheinend abhanden gekommen war. Virginia hätte ihn ihm

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