Blutrot wie die Wahrheit
nicht mit sich verhandeln, und eines habe ich als Anwalt ganz gewiss gelernt: Wenn die gegnerische Partei sich einem Kompromiss rundheraus verweigert, bleibt einem nichts anderes übrig, als sich auf deren Bedingungen einzulassen oder die Sache ganz bleiben zu lassen.â
âWar es Ihnen denn so wichtig, den Revolver zurückzubekommen?â, fragte Will.
Pratt seufzte schwer und trank seinen Gin aus.
âSie haben also gezahltâ, meinte Will, âaber der Revolver wurde Ihnen dennoch nicht gebracht.â
âIst Ihnen denn nie der Gedanke gekommen, dass sie ihn vielleicht gar nicht hat?â, fragte Nell. âImmerhin hat sie doch am Anfang abgestritten, Ihren Revolver überhaupt entwendet zu haben. Und als sie dann auch noch meinte, erst das Geld haben zu wollen, bevor Sie Ihnen die Waffe aushändigen könne ⦠Kam Ihnen das nicht ziemlich seltsam vor?â
Mit zitternder Hand rieb Pratt sich seine kolossale Stirn, als könne er so die geschwollene Ader glatt streichen.
Als er schwieg, fuhr Nell fort: âSie haben noch ein paar Tage abgewartet, doch dann sind Sie zu Mrs. Kimball gegangen und haben ihr gedroht, sie umzubringen.â
âUnd sie bei dieser Gelegenheit zudem recht grob angegangenâ, fügte Will hinzu, âworaufhin Mr. Thurston ihnen erstmal gezeigt hat, wo der Hammer hängt.â
âDieser Hieb kam gänzlich unerwartet â aus dem Nichts!â, ereiferte sich Pratt und sprang auf, so puterrot im Gesicht, als werde ihn gleich der Schlag treffen. Wie demütigend es für ihn sein musste, ausgerechnet von jemand wie Maximilian Thurston besiegt worden zu sein. âEr hat sich hinterrücks an mich herangeschlichen. Heimtückisch war das, völlig unsportlich â aber was will man von so jemand auch erwarten? Wäre es ein fairer Kampf gewesen, würde ich â¦â
âEinem Gentleman steht ein fairer Kampf zuâ, sagte William ruhig. âWer jedoch eine Dame schlägt, bekommt nur das, was er verdient.â
âDame?â Ein kurzes, gereiztes Lachen brach aus Pratt hervor. âWie kommen Sie dazu, so ein hurendes Weibsbild eine â¦â
Will hieb Pratt seine Faust ins Gesicht, sodass der mit voller Wucht zurück in seinen Sessel plumpste und fluchte wie ein Leichtmatrose. Daisys entsetzter Aufschrei wich unsäglichem Gekicher.
âAlle Achtung, Willâ, meinte Nell. âDu langst in letzter Zeit ja ganz schön zu. Hast du keine Angst, dir deine Hand zu verletzen?â
âDiesmal habe ich die Linke genommen. Damit kann ich zwar nicht so fest zuschlagen wie mit der Rechten, aber dafür hat er nun auch auf der anderen Seite ein blaues Auge. Der symmetrische Effekt erschien mir sehr reizvoll.â
âWie schlau von dir.â
Pratt bedachte Will mit allerlei Beschimpfungen, die allesamt eigentlich unaussprechlich waren. Daisy prustete vor Lachen und bekam sich gar nicht mehr ein.
âJetzt müssen Sie sich schon wieder eine Geschichte ausdenken, um zu erklären, was Ihnen diesmal zugestoÃen istâ, meinte Nell an Pratt gewandt.
âÃbrigens â¦â, setzte Will nach, â⦠warum haben Sie Ihrer Frau eigentlich erzählt, Sie wären von einem StraÃenräuber überfallen worden, ihren Freunden hingegen, dass Sie auf der Treppe gestürzt seien?â
Pratt setzte sich auf und rieb sich sein geschundenes Gesicht. âIch habe meiner Frau doch gar nicht erzählt, dass ⦠Oh. Das war bestimmt Vera. Sie kann es einfach nicht lassen, sich um mich zu kümmern. Verdammt lästig kann einem das werden.â
âSie leugnen also nicht länger, dass Sie Mrs. Kimball am Tag vor dem Mord besucht und sie bedroht haben?â, fragte Nell.
Pratt stützte sein Gesicht in die Hände und murmelte etwas vor sich hin. Lauter meinte er: âJa. Ja! Es reichte mir so langsam. Ist das nicht verständlich? Sie hatte ihr Geld bekommen, aber ich nicht meinen Revolver. Ich bin zu ihr gegangen, und ich ⦠ich habe wahrscheinlich ein paar Dinge gesagt, die ich besser nicht gesagt hätte, aber das war doch nur, weil ich wütend war! Das hatte gar nichts zu bedeuten.â
âDas mag ja seinâ, sagte Will. âAber am nächsten Tag fand man Virginia Kimball dann erschossen auf. Ihnen leuchtet gewiss ein, dass Sie in Anbetracht dieser Umstände einer der Hauptverdächtigen sind.â
âEinverstandenâ,
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