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Blutrot wie die Wahrheit

Blutrot wie die Wahrheit

Titel: Blutrot wie die Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P.B. RYAN
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es sie nicht zu kümmern. Über den Rand ihres Glases hinweg musterte sie Will mit so abgeklärtem Blick, dass es Nell Schauder des Unbehagens über den Rücken jagte.
    Etliche Minuten vergingen, bevor Orville Pratt sich zu ihnen gesellte, makellos gekleidet mit feinem schwarzen Frack und Fliege. Vom Scheitel bis zur Sohle war er das Inbild eines unbescholtenen und respektablen Geschäftsmannes der Bostoner Oberschicht – wenn man einmal von seinem blauen Auge absah, das sich langsam grünlich färbte, und seinen leicht geröteten Lippen. Er schien versucht zu haben, die Farbe abzuwischen, doch manche der intensiveren Töne hinterließen gern einen hartnäckigen Farbschimmer. Zunächst nahm Nell an, dass er wohl Daisys Lippenrot abgeküsst hatte – bis ihr auffiel, dass seine Lippen keineswegs die verblassten Spuren leuchtenden Kirschrots zeigten, wie sie es trug, sondern ein warmes, orange getöntes Zinnoberrot.
    Finster sah Pratt seine ungebetenen Besucher an und ließ seinen ungnädigen Blick auf Will ruhen. „Was hat das zu bedeuten, Hewitt?“
    â€žFiona Gannons Onkel hat Miss Sweeney gebeten, den Mord an Mrs. Kimball zu untersuchen“, erklärte Will. „Wir haben allen Grund zu der Vermutung, dass Ihre Lefaucheux bei dem Mord eine Rolle spielte.“
    Pratt hob die Brauen, als habe er nicht recht gehört. „Nun, den Mord hat Fiona Gannon begangen und zwar mit Mrs. Kimballs eigener Pistole. Das ist bewiesen. Dass Sie mich jetzt hier derart überfallen, ohne sich auch nur einen Deut um meine Privatsphäre oder um gesellschaftliche Gepflogenheiten guten Benehmens zu scheren, beweist indes nur, was Ihr werter Vater seit Jahren schon über Sie sagt. Ein Gentleman hätte so etwas nicht getan, und wenn Sie noch einen letzten Rest Anstand in sich haben, verlassen Sie dieses Zimmer auf der Stelle und entschuldigen sich zudem bei Miss Sweeney dafür, sie hierher gebracht zu haben. Im Gegenzug wäre ich bereit, Ihren unwürdigen Fauxpas zu übersehen und so zu tun, als wäre dies nie geschehen.“
    â€žAlle Achtung, Sir“, sagte Will. „Ich hätte in so kurzer Zeit keine so schöne Rede ersinnen können. Doch der Grund, weshalb wir hier sind, ist der: Wir haben erfahren, dass Sie Mrs. Kimball gedroht haben, sie umzubringen – genau einen Tag, bevor sie dann tatsächlich umgebracht wurde. Gewiss verstehen Sie, dass dieser Umstand unsere Neugier geweckt hat.“
    â€žVielleicht habe ich mich ja nicht deutlich genug ausgedrückt“, hob Pratt erneut an. „Ich wünsche, dass Sie Miss Sweeney umgehend aus diesem …“
    â€žOh nein, ich fürchte, dass ich es war, der sich missverständlich ausgedrückt hat“, unterbrach ihn Will. „Miss Gannons Schuld ist keineswegs bewiesen, und es besteht erheblicher Grund zu der Annahme, dass der Fall wieder aufgenommen wird. Sollte es dazu kommen, wird Ihr Name ganz oben auf der Liste der Verdächtigen stehen.“
    â€žNur, weil irgendein verschrobener alter Dramatiker meint, er hätte mich eine Drohung äußern hören?“
    â€žIch nehme an, Sie sprechen von Mr. Thurston“, sagte Nell kühl. „Aber wie kommen Sie eigentlich darauf, dass er es war, der uns erzählt hat, was Sie Mrs. Kimball gegenüber geäußert haben?“
    â€žWas ich angeblich geäußert haben soll.“ Mit langen Schritten durchmaß der Anwalt den Salon und trat an das Spirituosenkabinett. „Himmel noch mal, Daisy“, sagte er ungehalten, als er die leere Karaffe schüttelte. „Die war vor drei Tagen noch voll.“
    â€žGin ist noch da“, erwiderte sie und hob ihr Glas an ihre leuchtend roten Lippen.
    Pratt goss sich recht großzügig ein und nahm einen tiefen Schluck Gin. Angewidert verzog er das Gesicht.
    â€žWir wissen über Ihre Affäre mit Mrs. Kimball Bescheid“, klärte Will ihn auf.
    â€žEine Unverschämtheit ist das!“ Pratts Ohren erglühten in Scharlachrot. „Wer hat Ihnen das erzählt? Thurston etwa? Der hat mich ja schon von dem Tag an nicht ausstehen können, da Mrs. Kimball meine Mandantin geworden war. Er war auf jeden eifersüchtig, den sie kannte.“
    â€žWir wissen auch, dass sie Sie erpresst hat“, sagte Nell.
    â€žSie hat dich erpresst?“, rief Daisy in freudiger Verwunderung aus.
    â€žKommen Sie besser nicht auf dumme Gedanken“,

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