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Blutrot

Titel: Blutrot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Ketchum
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hatte einen metallenen Geschmack im Mund, was ihm sagte, dass ein Sommersturm bevorstand. Als er am Gerichtsgebäude vorfuhr, fielen die ersten Regentropfen in einer Größe von Zehn-Cent-Münzen auf seine Windschutzscheibe. Er kurbelte auf der Fahrerseite das Fenster hoch und stieg aus in die stille, dunkle Luft.
    Als er das Sheriffbüro betrat, sah er Tom Bridgewater am Schreibtisch sitzen und einen Krapfen aus Arnie Grohns Restaurant essen. Er las und trank Kaffee. Das Buch in seiner Hand war La Bête Humaine von Emile Zola. Tom war zu drei Vierteln durch damit.
    »Nichts zu tun, Tom?«
    Tom lächelte und legte das Buch auf einen Stapel Papiere. Sein linker Schneidezahn hatte eine Goldkrone und war etwas länger als der rechte, der nicht überkront war. Mit dem Gold im Mund sah er aus wie ein Hinterwäldler. Aber das war Tom nicht. Er hatte irgendwo im Süden einen Universitätsabschluss in Kriminologie gemacht und sich
fast vollständig durch die öffentliche Bibliothek von Moody Point gelesen. Er züchtete Honigbienen und wusste wahrscheinlich mehr darüber als irgendjemand sonst in diesem Staat. Ludlow fand es ganz normal, dass die Leute selten so waren, wie sie auf den ersten Blick zu sein schienen. Tom war einfach nur faul - was seinen beruflichen Aufstieg betraf und den Umstand, sich den Zahn vernünftig überkronen zu lassen.
    »Doch, jede Menge«, sagte er. »Ich stecke bis zum Hals in Schreibkram. Hast du von der Frau gestern gehört? Sie steht an einer Tankstelle an der 91, bezahlt das Benzin und sieht, wie draußen ein Mann in ihren Wagen steigt. Sie hat den Zündschlüssel stecken lassen. Und auf dem Rücksitz schläft ihre sechsjährige Tochter. Der Kerl fährt also los. Aber die Frau hat schon die Beifahrertür aufgerissen, bekommt mit einer Hand das Lenkrad zu fassen und schlägt mit der anderen wie eine Furie auf ihn ein. Der Mann versucht also, sie hinauszustoßen. Sie greift unter den Vordersitz und zieht die Lenkradverriegelung heraus, diese schwere Metallstange, und schlägt damit auf ihn ein. Währenddessen hängt sie halb aus dem Wagen, der Kerl schleift sie fünfhundert Meter mit und rast dann in ein Roy-Rogers-Restaurant . Sie zerrt ihn aus dem Wagen, nimmt die Metallstange, schlägt ihm den Schädel ein und bricht ihm obendrein noch beide Beine! Der Kerl winselt um sein Leben. Hat man so was schon gehört?
Wir haben ihn wegen Überfall und Entführung einkassiert. Von dem Kind auf dem Rücksitz hatte er gar nichts gemerkt.«
    Tom griff nach dem Buch und hielt es hoch. »Aber dieser Zola ist echt klasse«, sagte er. »Du hast ihn nie gelesen?«
    »Nein.«
    »Solltest du mal tun. Das hier handelt von einem Mann, der im Fenster eines vorbeifahrenden Zuges einen Mord sieht. Er hat schon immer mal jemanden umbringen wollen, nur fehlt ihm der Mut dazu. Deshalb hängt er sich wie eine Klette an die beiden Leute, die den Mord im Zug begangen haben, und treibt sie in den Wahnsinn. Nana hast du auch nicht gelesen?«
    »Nein.«
    »Solltest du mal versuchen, Av. Ich wünschte, ich könnte die Jungen oder auch Evelyn zum Lesen bringen. Evelyn liest bloß Zeitung. Mit den Jungs ist es noch schlimmer. Bei denen bin ich schon froh, wenn sie mal einen Blick ins Fernsehprogramm werfen. Das mit deinem Hund tut mir leid. Hast du die Patronenhülse mitgebracht?«
    Ludlow reichte sie ihm.
    Tom betrachtete die Patrone und schnupperte daran. Dann steckte er sie ein, schob sich den letzten Bissen vom Krapfen in den Mund, nahm den Styropor-Kaffeebecher und erhob sich.
    »Wir gehen rüber zu Phil Jackman.«

    Sam Berry hatte den Namen des stellvertretenden Staatsanwalts am Telefon erwähnt, aber begegnet war Ludlow dem Mann noch nie. Sie gingen den Flur hinunter zu seinem Büro. Eine hübsche brünette Empfangsdame meldete sie an, Tom öffnete die Milchglastür, und sie gingen hinein.
    Das Büro war vollgestopft mit Büchern und Akten. Schlimmer als bei Tom, falls das überhaupt möglich war.
    Jackman saß in einem Hemd am Schreibtisch, den perfekten Windsor-Krawattenknoten stark gelockert. Er schaute von einer eng beschriebenen Akte auf. Erst aus dem Fenster, wo es donnerte, dann zu Tom und Ludlow. Er stand auf und war viel größer, als er im Sitzen gewirkt hatte. Er reichte ihm die Hand.
    »Mr. Ludlow?«
    Das Handgelenk unter dem Hemdsärmel war dünn, so wie auch der Rest von ihm. Aber Jackmans Händedruck war fest.
    »Av«, sagte Ludlow.
    Der stellvertretende Staatsanwalt gab Ludlow den Bogen, der auf dem

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