Blutrote Kuesse
hatte.
»Zieh dich an, wenn du noch nicht fertig bist. Ich leg jetzt auf, muss die Leitung frei halten. In fünf Minuten bin ich bei dir.«
Er beendete das Gespräch, bevor ich Näheres in Erfahrung bringen konnte. Timmie beobachtete mich erwartungsvoll.
»Und?«
Schnell zog ich mir einen Pullover über mein T-Shirt. Draußen war es kalt. Die Jogginghose ging in Ordnung, aber Timmie musste verschwinden, damit ich meine Messer holen konnte. »Er kommt her, aber wir müssen gleich wieder weg. Irgendwas ... irgendwas ist passiert.«
»Oh.« Timmie stand auf, trat kurz von einem Fuß auf den anderen und platzte dann mit seiner Frage heraus: »Würdest du eventuell mich nehmen, falls es mit ihm nicht klappt?«
Ich erstarrte, als ich mir gerade die Schuhe anziehen wollte. Wozu. Damit hätte ich nicht gerechnet.
»Ich weiß, ich bin nicht so ein Charmeur wie er und habe auch nicht dieses BöseBuben-Image, aber wir verstehen uns echt gut, und deine Mutter denkt sowieso schon, wir wären zusammen, also... bin ich sozusagen schon für gut befunden worden«, fügte er mutig hinzu. »Was meinst du?«
Dass das deine letzten Worte wären, wenn Bones dich jetzt hören könnte.
»Timmie, jedes Mädchen würde sich glücklich schätzen, einen Freund wie dich zu haben. Jedes Mädchen, ich also auch, aber ich hoffe, dass sich diese Sache mit meinem Freund wieder einrenkt. Du musst also verstehen, dass ich eine solch hypothetische Frage jetzt nicht beantworten kann.«
Ich wollte ihm nicht wehtun und war offen gestanden überfordert. Jemandem freundlich einen Korb zu geben war nicht gerade meine Stärke. Gewöhnlich stieß ich dem Betreffenden einfach einen Pflock ins Herz und rief grinsend: Treffer!
Das Heulen eines Motorrads verhinderte Gott sei Dank jede weitere Diskussion. Timmies Augen weiteten sich vor Schreck. Mit einem hastigen »Gute Nacht!« zischte er ab, und ich ging ins Schlafzimmer, wo ich die Kiste mit meinen Waffen unter dem Bett hervorzog. Es war ein eindrückliches Beispiel dafür, weshalb Timmie und ich niemals ein Paar werden konnten. Es lag nicht an mangelndem Charme, auch nicht daran, dass ich einzig mit dem Mann zusammen sein wollte, der gerade die Treppe zu meiner Wohnung heraufkam. Es war einfach so, dass manche Dinge sich nicht erklären ließen. Auch der Segen meiner Mutter konnte daran nichts ändern.
Ich kam nicht dazu, Bones von meiner Erleuchtung zu berichten. Er begann zu reden, sobald er meine Wohnung betreten hatte.
»Ich glaube, Francesca ist geschnappt worden.« O Scheiße. Sofort bereute ich, jemals schlecht von ihr gedacht zu haben. »Was ist passiert?«
Frustriert fing er an, auf und ab zu laufen. »Vor zwei Tagen hat sie mich angerufen und gesagt, sie habe eine heiße Spur und sei dabei herauszufinden, wer Hennessey juristische Rückendeckung gibt. Es sei kein Richter oder Polizeichef, sondern ein richtig hohes Tier. Mehr konnte sie mir nicht sagen, weil sie die Spur erst weiterverfolgen musste. Als sie vor einer Stunde angerufen hat, war sie sehr aufgeregt. Hat gemeint, ich solle nicht mehr auf sie zählen, weil die Sache mit Hennessey eine Nummer zu groß für sie sei. Ich habe ihr gesagt, ich würde mich heute Abend noch mit ihr treffen. Wir wollten gerade einen Treffpunkt ausmachen, als sie plötzlich sagte: >Da kommt jemand<, und die verdammte Leitung war tot. Seitdem habe ich nichts mehr von ihr gehört.«
»Weißt du, von wo aus sie telefoniert hat?«
Seine Augen sprühten grüne Funken. »Natürlich nicht! Sonst wäre ich schon längst auf dem Weg dahin!«
Seine wütende Stimme ließ mich zurückfahren. Er stieß einen erstickten Laut aus und war mit einem Schritt bei mir, dann zog er mich an sich.
»Entschuldige, Kätzchen. Über diese Sache vergesse ich völlig meine Manieren. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, was ihr solche Angst eingejagt haben könnte, dass sie kneifen wollte, aber wenn Hennessey sie dabei ertappt hat, wie sie ihm nachspioniert... «
Bones übertrieb nicht. Ich konnte Francesca vielleicht nicht leiden, aber der Gedanke daran, was ihr möglicherweise gerade widerfuhr, ließ Übelkeit in mir aufsteigen.
»Macht nichts. Du brauchst dich nicht zu entschuldigen. Hör zu, nehmen wir mal kurz an, es wäre vielleicht gar nicht so schlimm, wie es aussieht, und denken noch einmal nach. Hätte sie schnell weggemusst und bisher keine Möglichkeit gehabt, sich mit dir in Verbindung zu setzen, wohin wäre sie dann gegangen? Wo würde sie sich sicher fühlen?
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