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Blutrote Kuesse

Titel: Blutrote Kuesse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeaniene Frost
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den ich zuvor wahrgenommen hatte, streckte sich und änderte seine Form, bis er schließlich die Gestalt eines etwa fünfzigjährigen Mannes annahm. Sein Bauch war tonnenförmig, sein Blick mürrisch, das braune Haar mit grauen Strähnen durchzogen und der Backenbart ungepflegt.
    »Hörst du das, ja?« Wieder diese seltsam klagende und hallende Stimme. Einen Augenblick lang flimmerte die Gestalt, dann stoben die Blätter in ihrer Nähe in einem plötzlichen Luftstoß auseinander.
    »Winston Gallagher?«, fragte ich.
    Das Gespenst warf tatsächlich einen Blick über die Schulter, als erwarte es, hinter sich jemanden zu sehen.
    Ich versuchte es mit mehr Nachdruck in der Stimme. »Also?«
    »Sie kann mich nicht sehen...«, sagte der Geist, vermutlich zu sich selbst.
    »Und ob ich das kann!« Erleichtert marschierte ich auf ihn zu. Ich wollte diesen unheimlichen Ort so schnell wie möglich wieder verlassen. »Ist das dein Grabstein? Wenn ja, hast du heute Nacht Glück.«
    Seine ohnehin schon zusammengekniffenen Augen wurden noch schmaler. »Du kannst mich sehen?«
    War der schon so begriffsstutzig, als er noch am Leben war?, fragte ich mich respektlos. »Ja, ich kann Tote sehen. Wer hätte das gedacht? Jetzt lass uns reden. Ich bin auf der Suche nach Informationen über ein paar unlängst Verstorbene und habe gehört, du könntest mir weiterhelfen.«
    Es war fast schon komisch anzusehen, wie der Ausdruck in seinem durchsichtigen Gesicht sich von Unglauben in Feindseligkeit verwandelte. Selbstverständlich hatte er keine Gesichtsmuskulatur mehr. Ließ bloße Erinnerung seine finstere Miene Gestalt annehmen?
    »Verschwinde, sonst wird sich das Grab auftun und dich verschlucken, und du wirst diesen Ort nie mehr verlassenl«
    Junge, Junge, da konnte einem schon angst und bange werden. Hätte er irgendetwas gehabt, um mich zu bedrohen, hätte ich mir Sorgen gemacht.
    »Das Grab fürchte ich nicht; ich bin schon halb darin geboren. Aber wenn ich gehen soll«, ich drehte mich um, als wolle ich mich aufmachen, »dann muss ich das hier wohl in die nächste Mülltonne werfen.«
    Aus meiner Jackentasche brachte ich die Flasche mit dem Fusel zum Vorschein. Ich musste fast lachen, als seine Blicke sich wie von einem Zauber gefesselt darauf hefteten. Das musste wirklich Winston sein.
    »Wasss haben wir denn da, gute Frau?«
    Das erste Wort stieß er lüstern zischend hervor. Ich entfernte den Korken und schwenkte die Flasche an der Stelle, an der ich seine Nase vermutete.
    »Schwarzgebrannter, mein Freund.«
    Mir war noch immer unklar, wie ich ihn Bones' Meinung nach damit bestechen sollte. Ihm etwas davon aufs Grab schütten? Die Flasche in seinen geisterhaften Mund leeren? Oder ihn mit dem Zeug besprengen?
    Winston stieß erneut einen Klageruf aus, der jeden das Fürchten gelehrt hätte, der nahe genug gewesen wäre, ihn zu hören.
    »Bitte, gute Frau!« Sein feindseliger Tonfall war wie weggeblasen, er klang jetzt eher verzweifelt. »Bitte, trink ihn. Trink ihn!«
    »Ich?« Mir blieb die Spucke weg. »Ich will aber nicht!«
    »Oh, lass ihn mich durch dich schmecken, bitte!«, flehte er.
    Durch mich schmecken. Jetzt war mir klar, warum Bones mir zuvor nicht erklärt hatte, wie man Winston freundlich stimmen konnte. Das hatte ich nun davon, dass ich einem Vampir vertraut hatte! Ich warf dem Gespenst einen gereizten Blick zu und schwor mir, an einem gewissen bleichen Geschöpf der Finsternis Rache zu nehmen.
    »Also schön. Ich nehme einen Schluck, aber dann nennst du mir ein paar Namen von jungen Mädchen, die hier in der Gegend umgekommen sind. Und zwar nicht durch Autounfälle oder Krankheiten. Nur Mordopfer.«
    »Lies die Zeitung, gute Frau, was brauchst du mich dazu?«, blaffte er. »Jetzt trink das Zeug!«
    Ich hatte überhaupt keine Lust, mich von einem weiteren Toten herumkommandieren zu lassen. »Wahrscheinlich habe ich dich in der falschen Nacht erwischt«, sagte ich freundlich. »Ich geh dann wohl besser ...«
    »Samantha King, siebzehn Jahre alt, starb letzte Nacht an Blutverlust!«, stieß er hervor. »Bitte!«
    Ich musste ihn nicht einmal nach der Todesursache fragen. Er verzehrte sich wohl richtiggehend nach dem Alkohol. Ich machte mir auf dem kleinen Block Notizen und führte dann die Flasche zum Mund.
    »Heilige Mutter Gottes!«, keuchte ich kurz darauf und bekam kaum mit, wie Winstons schattenhafte Gestalt wie der geölte Blitz durch meine Kehle fuhr. »Bäh! Das schmeckt ja wie Kerosin!«
    »Oh, welch liebliches

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