Blutrote Lilien
Waschen mit Rosenwasser besprüht hatte. Ich war zufrieden, wo ich war, und von mir aus konnte die Welt gern noch etwas auf mich warten.
Ich hörte gedämpftes Lachen, dann zog eine unerbittliche Hand die schützende Decke zur Seite, und die kalte Winterluft überzog mich sofort mit Gänsehaut.
»Manon!«, rief ich empört und versuchte, nach der Decke zu greifen, aber meine Zofe blieb eisern. Hinter ihrer breiten Stirn und den dunklen Augen verbarg sich ein sturer Geist. Sie stand einige Schritte vom Bett entfernt, als befürchte sie einen Überfall meinerseits, und hatte die Hände in die runden Hüften gestemmt. Ungeduldig sah sie mich an.
»Nun stellt Euch nicht so an. Ihr wollt doch nicht schon zur ersten Unterrichtsstunde zu spät kommen, oder?«
Schwerfällig erhob ich mich und schwang die Beine über den Bettrand. Meine Füße machten Bekanntschaft mit dem eiskalten Marmorboden und hastig zog ich die Knie unters Kinn. In der Ferne läutete eine Glocke sieben Mal.
»Seht Ihr, das ist die Glocke Samaritaine von Pont-Neuf«, sagte Manon.
»Es ist noch nicht einmal hell, wieso in Gottes Namen muss dieser Unterricht so zeitig anfangen? In Chantilly haben wir nie vor dem neunten Schlag begonnen!«
»Nun, hier liegen die Dinge anders. Der König hält selbst zur siebten Stunde Rat, daher schätzt er es, wenn seine Untertanen den Tag ebenfalls zeitig beginnen.«
»Das ist nicht Tag, das ist Nacht«, murmelte ich erneut, aber es half nichts, Manon zeigte nur stumm auf die Waschschüssel, in der das Wasser bereits eine dünne Eisschicht gebildet hatte. Missmutig pickte ich die Eishaut auf und rieb mit den kalten Fingern über meine Augen.
»Den Rest auch. Oder wollt Ihr nach der langen Reise stinken wie die Gassen von Paris?«
Im Moment war es mir herzlich gleichgültig, ob ich stank, ich befürchtete vielmehr, dass ich gleich erfrieren würde. Der Louvre war zwar ein schönes Schloss, aber es war auch groß und schlecht beheizt. Der Kamin im Wohngemach genügte nicht, um alle Gemächer der Wohnung warm zu halten.
Nachdem das Uhrwerk des Gerichtspalastes endlich Ruhe gab, war mir durch das Ankleiden jedoch so warm geworden, dass ich die Kälte kaum noch spürte. Es schien eine halbe Ewigkeit zu dauern, bis ich sämtliche Unterröcke, den roten Brokatrock, das Baumwollhemd, darüber die mit Fischgräten versteifte Samtbasquine und zu guter Letzt die Stiefel übergezogen hatte. Erst dann machte sich Manon daran, meine Haare zu einer Frisur zu formen, die möglichst modern und elegant aussah. Dabei fluchte sie unaufhörlich, weil ihr meine langen blonden Strähnen durch die Finger rutschten, während ich gelangweilt die Schafe auf der Tapete zählte. Einmal kam sie mit dem Brenneisen an mein Ohrläppchen, als sie versuchte, das Haar in kleine Löckchen zu legen. Vor Schmerz schrie ich auf und erschrocken rückte sie von mir ab.
»Verzeiht, aber ich bin den Umgang mit diesem Teufelswerk nicht gewohnt.«
»Wozu müssen wir das überhaupt machen? Zu Hause drehst du mir nie Locken ein. Wozu auch? Mein Haar ist viel zu schwer, es wird sich nach kurzer Zeit wieder nach unten ziehen.«
»Der Connétable wünscht es. Euer Vater möchte, dass Ihr einen guten ersten Eindruck auf Eure Erzieherin macht. Die Frau ist zwar mit jeder Etikette des Hofs vertraut, aber auch eine fürchterliche Klatschbase, wenn Ihr mir das gestattet zu sagen. Sollte sie von Euch angetan sein, dann wird das bald der ganze Hof wissen.«
Widerwillig ergab ich mich der Prozedur, die auch im Folgenden mit Ziepen und Brennen verbunden war und im Großen und Ganzen so angenehm war wie ein Marsch barfuß über Kieselsteine. Das Leben am Hof schien mir bereits jetzt um einiges anstrengender, als ich gedacht hatte.
Als ich gerade dabei war, kleine Perlenohrringe durch meine Ohrläppchen zu stecken, klopfte es zögerlich an der Tür. Während Manon sie öffnete, besah ich missmutig das Brenneisen, dieses Werkzeug des Teufels, das vor mir auf dem Tisch lag und so harmlos aussah, wenn es nicht gerade Ohrläppchen und Hälse verbrannte.
»Was willst du, Bursche?«, fragte Manon den Diener, den ich nicht sah, weil das Türblatt mir die Sicht versperrte.
»Eine Kammerfrau bittet um die Erlaubnis, Mademoiselle ein Geschenk überbringen zu dürfen.«
»Mademoiselle wird sicher niemanden in ihrem Ankleidezimmer empfangen. Sie soll warten.«
»Ach, lass sie doch herein, Manon!«, rief ich und winkte. »Ich bin ja schon angezogen.«
Missmutig sah sie mich
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