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Blutrote Lilien

Blutrote Lilien

Titel: Blutrote Lilien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen Weise
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ein wenig Ruhe eingekehrt war. Seit Henri von Navarra König geworden war, sprach niemand mehr von dieser Hochzeit, aber die Erinnerung daran schwebte über uns allen wie ein böser Traum. Vater war manche Nacht aus Träumen aufgewacht und seine Schreie hatten uns Kinder ebenfalls aus dem Schlaf getrieben. Nur ein einziges Mal hatte er uns von jener schrecklichen Nacht erzählt, in der das Morden begonnen hatte.
    Der Frieden war zu kostbar, um ihn aufs Spiel zu setzen. Warum sollten die Hugenotten riskieren, dass sich ein solches Ereignis wiederholte?, überlegte ich mir.
    Aber ich sagte nichts weiter dazu. Am Tag meiner Ankunft wollte ich keinen Streit beginnen, immerhin hatten wir uns seit über einem Jahr nicht mehr gesehen und vielleicht wusste Henri ja auch mehr als ich, schließlich lebte er länger am Hof. Trotzdem erstaunte mich seine heftige Reaktion auf den Herzog, und ein ungutes Gefühl begleitete mich, als wir durch die Gänge des Louvre liefen.
    Früher hatte er nicht so gehasst.

- 3 -
     
    Die Appartements, die der König meinem Vater für die Zeit seiner Aufenthalte im Louvre zugewiesen hatte, lagen in der Nähe der Ehrendamen der Königin. Henri und seine Frau Jeanne bewohnten ein kleines Appartement in einem anderen Flügel. Bereits als ich das Empfangskabinett betrat, hielt ich vor lauter Staunen die Luft an, bis Henri mich anstupste und die Augen verdrehte.
    »Wirklich, Charlotte, man könnte meinen, du hättest in deinem ganzen Leben noch keine Tapeten gesehen. Das ist ja fast eine Beleidigung für unser schönes Chantilly.«
    Henri mochte spotten, so viel er wollte, aber ich war mir sicher, dass er beim ersten Anblick der Appartements genauso wie ein Fisch an Land ausgesehen hatte wie ich. Einen solchen Prunk hatte ich noch nie gesehen. Überall zogen sich goldene Borden entlang, selbst die Holzrahmen der Türen waren vergoldet. Über die Tapeten zogen sich Jagdszenen aus Brokat, und die Teppiche waren so weich und schwer, dass man glaubte, auf einer Wiese zu laufen. In der Luft hing der Geruch nach Wachs von den tiefroten Kerzen in den Lüstern und Wachslichten, die an der Decke hingen. Das Kristall der Lüster brach das Licht in unzählige bunte Strahlen und warf glitzernde Punkte auf die dunklen Tapeten. Es kam mir so vor, als wäre ich eingedrungen in ein Märchenland.
    »Warte ab, bis du dein Zimmer siehst. Du erreichst es über eine Treppe hinter einer falschen Wand. Davon gibt es im Louvre unzählige. Meistens führen sie in die Gemächer der Bediensteten. Eine Welt hinter der Welt könnte man sagen.« Er lachte.
    Ich war noch ganz versunken in den Anblick der flandrischen Tapisserien, als sich auf einmal die Tür öffnete und Vater eintrat. Ohne auf die Diener zu achten, die mich mit neugierigen Blicken maßen, hob er mich in seine Arme und küsste mir die Wangen. Doch die Umarmung dauerte nur kurz, dann ließ er mich wieder los und legte mir seine große Hand an die Wange. Unter seinen Augen waren dunkle Ringe zu sehen und sein Haar war nun fast gänzlich weiß geworden. Seit wir uns das letzte Mal gesehen hatten, schien er um Jahre gealtert. Irgendetwas musste ihn sehr belasten.
    Aber er lächelte mich an, als er sagte: »Da bist du ja endlich, Kind. Ich hatte mir schon Sorgen gemacht, die vereisten Straßen würden euch daran hindern zu passieren. Wo ist Manon?«
    »Sie kümmert sich um das Gepäck.«
    »Ah ja, gut, gut. Dann setz dich, Kind, und iss.« Er führte mich ins Esszimmer, dessen hellblaue Samttapete im Licht der Kerzen sanft wie Wasser schimmerte. Auf dem Tisch stand eine Schüssel Hühnereintopf und der Geruch von Suppengemüse stieg mir in die Nase. Erst jetzt bemerkte ich, wie hungrig mich die lange Reise gemacht hatte, und schon war ein lautes Knurren meines Magens zu hören.
    Ein goldenes Band mit blauen Lilien zierte den Rand des Tellers. Das Service musste ein Geschenk des Königs an meinen Vater gewesen sein, denn nur der König benutzte Porzellan, das die königliche Bourbonenlilie schmückte. Fast zaghaft schob ich den silbernen Löffel über den Teller.
    »Hier, trink auch etwas, damit du warm wirst«, sagte Vater und schob mir einen Becher mit verdünntem, gewürztem Glühwein herüber. »Wir wollen schließlich nicht, dass du gleich am ersten Tag krank wirst.«
    Eine Weile sah er mir beim Essen zu und niemand sprach. Henri hatte sich auf das Sofa gesetzt und schwieg, den Blick missmutig aus dem Fenster gerichtet, während die Diener stumm meine Sachen

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