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Blutrote Lilien

Blutrote Lilien

Titel: Blutrote Lilien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen Weise
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über die Schulter an. »Na schön, aber nur kurz.«
    Ich musste lächeln. Manchmal beschlich mich das Gefühl, meine Zofe legte mehr Wert auf die Etikette als ich selbst. Sie ließ die Kammerfrau ein, eine dralle Brünette, deren Busen fast das Mieder sprengte. Sie war nicht viel älter als Manon, aber sie trug das für die Pariser Frauen so typische Lächeln, das immer auch ein wenig herausfordernd war.
    Sie reichte Manon ein kleines, in rotes Seidenpapier gewickeltes Paket und flüsterte ihr etwas ins Ohr, dabei ließ sie mich nicht aus den Augen.
    »Was ist es?«, fragte ich, nachdem Manon hinter ihr die Tür wieder geschlossen hatte, und sie legte mir mit gerunzelter Stirn das Paket in die Hände. Unter meinen tastenden Fingern knisterte das Papier.
    »Das war die Kammerfrau des Marquis de Bassompierre. Er lässt Euch das bringen und hofft, dass Ihr Euch im Louvre gut eingelebt habt.«
    An ihrem Gesichtsausdruck hätte ich eigentlich erkennen müssen, von wem das Geschenk kam. Schmunzelnd öffnete ich es und fand eine kleine Schachtel Konfekt, welches so verlockend aussah, dass ich gleich die erste Praline kosten musste. Es war Marzipan, umhüllt mit dunkler Schokolade.
    »Mhm, das ist himmlisch, Manon. Nimm dir auch eine.«
    »Nein, danke«, sagte sie bestimmt und drehte sich weg, sodass ich beim nächsten Stück umso lauter »Mhm« machte, nur um sie ein wenig zu ärgern.
    Der Schachtel lag ein Billett bei, auf dem mir de Bassompierre mit seiner schnörkellosen Handschrift mitteilte, dass er es kaum erwarten konnte, mich zu sehen.
    Während mir die Schokolade auf der Zunge zerlief, dachte ich an ihn und mein Herz schlug schneller. Unser erstes offizielles Treffen würde erst später stattfinden, aber vielleicht begegnete ich ihm ja in den Gängen des Louvre, solche Zufälle kamen schließlich vor, und dann würde er nicht grußlos an mir vorübergehen können. Er würde mir den Arm reichen, damit ich auf den steilen Stufen der Marmortreppen nicht stürzte.
    Ich malte mir Szenen aus, wie und wo wir möglichst unverdächtig aufeinandertreffen könnten. Auf einer Treppe in den Galerien zum Beispiel, auf dem Weg zur sonntäglichen Messe. Oder auf der Holzbrücke der Porte de Bourbon, wenn er den Louvre verließ, um seinen zahlreichen Geschäften in Paris nachzugehen. Es musste doch möglich sein, herauszufinden, wann er dazu aufbrach, und eine Begegnung herbeizuführen. Vielleicht schmiedete er ähnliche Pläne und es würde gar nicht mehr lange dauern, bis wir uns sahen.
    Auf einmal drangen vom Hof Rufe zu uns empor, die meine Tagträume unterbrachen, und neugierig trat ich ans Fenster, um zu sehen, was da unten vor sich ging. Doch es war nur ein Fuhrwerk, von dem abgeladen wurde, während Marschall de Vitry mal wieder danebenstand und finster schaute. Aus seiner Nase kamen wegen der Kälte weiße Atemwölkchen und es hätte mich nicht verwundert, wenn er wie ein Drache Feuer gespuckt hätte, so grimmig schaute er drein. Er rief Befehle, die er mit herrischer Geste unterstrich. Ob dieser Mann jemals schlief? Aber vielleicht hatte er immer schlechte Laune, weil ihm seine Aufgaben keine Zeit zum Ausruhen ließen. Ein Soldat der Garde stolperte vor Schreck, als de Vitry ihn anraunzte, und ich schüttelte über seine Bärbeißigkeit den Kopf.
    Am Fenster gegenüber stand wieder der Schatten vom Vorabend, nur dass es eben kein Schatten war, wie ich jetzt erkennen konnte, sondern ein Mann, der mich im Licht des Morgens ebenfalls deutlich sah.
    Er besaß langes dunkles Haar, trug eine Weste aus dunkelgrünem Samt, und obwohl ich auf die Entfernung seine Züge nur schwach ausmachen konnte, wirkten sie auf mich dennoch ebenmäßig und vornehm wie die Gesichter der Statuen griechischer Helden. Allerdings waren die Augenbrauen missmutig zusammengezogen und seine Haltung verriet, dass er sich meiner bewusst war. Stocksteif stand er da, als warte er darauf, welchen Schritt ich als Nächstes tun würde. Wie eine Katze, die aus dem Halbdunkel heraus eine Maus beobachtet, kurz bevor sie sich daraufstürzt.
    Ich konnte den Blick nicht von ihm abwenden. Irgendetwas an ihm zog mich nahezu magisch an, dabei tat er nichts weiter, als mich anzusehen.
    Vielleicht hatte er ja die ganze Nacht dort gestanden? Vielleicht war er gar kein Mensch aus Fleisch und Blut, sondern ein Geist, der die Gemächer seines ehemaligen Lebens heimsuchte, kam es mir in den Sinn.
    Doch plötzlich drehte er sich zur Seite, als spreche jemand mit ihm. Er zog

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