Blutrote Lilien
davon abzuhalten, an mir vorbeizustürmen. Wahrscheinlich zögerten sie auch, weil sie nicht wussten, ob sie eine Dame von Stand einfach so zur Seite schieben konnten.
Ungeduldig versuchten sie, an mir vorbeizuspähen, aber ich blieb hartnäckig an meinem Platz. Sie gehörten jedenfalls nicht zu de Vitrys Leuten, denn sie trugen schlichte Kleidung und keine Uniformen. Die Art, wie sie die Hände an den Griffen ihrer Degen hatten, gefiel mir nicht, und wenn der Narr wirklich etwas angestellt hatte, dann war es Sache des Marschalls, sich seiner anzunehmen.
»Verzeiht, Mademoiselle, habt Ihr hier einen Mann gesehen?«, fragte der Größere der beiden in einem unfreundlichen Tonfall, ohne mich dabei anzusehen. Sein Gesicht zierte ein beachtlicher Schnurrbart, und eine Narbe verlief vom Schlüsselbein bis zum Ohr. Er hatte wohl schon so manchen Streit gesucht.
Das war der Moment, in dem ich mich entscheiden musste, und ich entschied mich, dem Narren zu helfen, denn die beiden anderen sahen mir zu sehr nach Männern aus, die Manon gern »Halunken« nannte.
Ausnahmsweise kam mir der Unterricht bei Madame Morens tatsächlich zugute – ich stellte mich dumm. »Einen Mann, sagt Ihr? Natürlich habe ich hier Männer gesehen, das ist die königliche Falknerei. Bezieht sich Eure Frage möglicherweise auf einen speziellen Herren?«
Ungeduldig sahen mich die Männer an. Ihre Blicke sagten mir, dass sie mich für eine dumme Gans hielten. Vorsichtshalber riss ich die Augen noch ein bisschen weiter auf.
»Ein Krüppel mit einem schwarzen Wams.«
»Mhm, nein, es tut mir leid, einen solchen Mann habe ich nicht gesehen. Und ich denke doch, er wäre mir aufgefallen, nicht wahr? Seid Ihr sicher, dass er hier ist? Was sollte er denn hier wollen? Sollte ich mir Sorgen machen? Ich könnte die Garde kommen lassen.«
»Das wird nicht nötig sein, Mademoiselle.«
Der Kleinere der beiden versuchte ein weiteres Mal, an mir vorbeizusehen, doch ich beugte mich vor und versperrte ihm mit Mars die Sicht. Der Falke schüttelte den Kopf und spreizte die Flügel. Ich hob den Arm noch höher und zwang den Mann zurückzuweichen.
»Verzeiht, mein Herr, aber Ihr solltet nicht näher kommen. Ihr macht meinen Falken nervös, er reagiert sensibel auf die Anwesenheit von Fremden.«
Einige Herzschläge lang sah es so aus, als wäre das dem Kerl vollkommen gleichgültig und er würde sich trotzdem an mir vorbeischieben, doch dann überlegte er es sich anders. Er warf seinem Kumpan einen fragenden Blick zu, der ungeduldig abwinkte.
»Wahrscheinlich ist er über den Hof gerannt, lass uns dort nachsehen«, sagte er, und die beiden verschwanden wieder.
Erleichtert atmete ich auf. Als sich die Tür hinter ihnen geschlossen hatte, drehte ich mich um, setzte Mars auf seinen Block und beugte mich darüber.
»Ihr könnt jetzt herauskommen, Angoulevent.«
Im Dunkel hinter dem Klotz bewegte sich etwas und schon erschien das blasse Gesicht des Narren. Diese Art Blässe hatte ich schon einmal bei einem Falknermeister gesehen, der auf der Jagd nach Krähen, die unsere Aussaat vernichteten, von einem Wildschwein angefallen worden war. Sie war kein gutes Zeichen, denn sie sprach für einen hohen Blutverlust.
»Ihr habt viel Blut verloren, Ihr solltet Euch hinlegen.«
Der Narr ließ sich neben dem Klotz auf den Boden sinken und lehnte den Rücken dagegen. Stumm reichte ich ihm ein Taschentuch, damit er es sich auf die Wunde über dem Auge halten konnte. Als ich seinen Arm hob, um nach der Verletzung darunter zu sehen, stieß Angoulevent einen Schmerzenslaut aus und krümmte sich zusammen.
»Ihr müsst in ein Bett und Euch richtig verbinden lassen. Ihr könnt nicht hier sitzen bleiben. Was ist Euch nur zugestoßen?«
»Ihr seid wie alle Frauen, Prinzessin, Fragen, nichts als Fragen«, sagte der Narr heiser.
»Das ist nicht die rechte Zeit für Eure Scherze. Sagt mir, wie ich Euch helfen kann.«
»Kann ich Euch trauen ...« Er sah mir fest in die Augen, dann murmelte er: »Na schön. Helft mir auf, Mademoiselle, das ist der erste Schritt.«
Vorsichtig legte ich mir seinen Arm um die Schulter und half ihm, aufrecht zu stehen.
Er deutete auf den Hinterausgang. »Dort hinaus, aber wir müssen aufpassen, dass uns diese beiden Halunken nicht sehen, sonst werden sie sich auf mich stürzen wie tollwütige Hunde.«
Während wir vorwärtsschwankten, fragte ich: »In welche Geschichte seid Ihr nur verwickelt?«
»Das Leben, Prinzessin, so will es scheinen.«
»Ein
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