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Blutrote Lilien

Blutrote Lilien

Titel: Blutrote Lilien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen Weise
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abgewinnen, wie sie mir gestanden hatte. Außerdem roch es in der Scheune nach Stroh, tierischen Abfällen und Mäusekot.
    Stattdessen unterhielt ich mich häufig mit Monsieur de Luyenes, dem Vogelsteller des Königs, einem freundlichen Mann mit sanften Augen und ruhiger Stimme. Wir sprachen über die Vögel und dabei erweckte er den Eindruck, nicht allzu viel auf den Klatsch des Hofes zu geben. Er machte mir Komplimente, weil Mars so gut in Form war, und wenn wir gemeinsam die Vögel aufsteigen ließen, genoss ich das Schweigen, das zwischen uns entstand, ohne unangenehm zu werden.
    Als ich an jenem Tag die Falknerei betrat, begannen die Vögel auf ihren Kasen, den schlichten Holzrahmen, auf die sie gebunden waren, zu schimpfen. Wenn man nicht daran gewöhnt war, konnte es ein erschreckendes Geschrei sein. Kein Wunder, dass es Sophie unheimlich war. Die Vögel saßen im Halbdunkel der Scheune auf ihren Blöcken und um ihre Beine waren Fesseln aus dünnen Lederriemen angebracht, damit sie nicht davonfliegen konnten. Erst nach einer Weile beruhigten sie sich wieder. Die einfallenden Sonnenstrahlen ließen den Staub tanzen und am anderen Ende der Scheune blitzte Mars’ weißes Gefieder auf.
    Monsieur de Luyenes war nirgendwo zu sehen. Wahrscheinlich waren die Falkner gerade bei der Futterbeschaffung, denn die Tiere mussten auch an jenen Tagen versorgt werden, an denen sie nicht aufstiegen.
    Langsam lief ich an den Blöcken vorbei, um die Vögel nicht weiter zu erschrecken, bis ich bei meinem Vogel ankam, der die Flügel mit den schwarzen Spitzen spreizte, als wolle er mich begrüßen. Vorsichtig näherte ich mich ihm und ließ ihn auf meinen Falknerhandschuh klettern, der aus festem, grün eingefärbtem Leder bestand, damit mich die Krallen nicht verletzen konnten. Mit der freien Hand strich ich Mars über den Bauch, der sich weich und warm unter meinen Fingerspitzen anfühlte.
    »Hast du mich vermisst?«, flüsterte ich und seine braunen Augen sahen mich aufmerksam an. »Wir müssen bald auf die Jagd gehen, sonst rostest du, was?«
    Mars öffnete den grauen Schnabel, aber es kam kein Laut heraus. Es war ein stummer Protest. Er wollte hinaus in den Himmel und nicht angebunden auf einem Block sitzen. Ich wünschte, ich könnte mit ihm fliegen und für eine Weile alles hinter mir lassen.
    »Bald wirst du wieder fliegen, das verspreche ich dir.«
    Gerade, als ich ihn absetzen wollte, erhob sich plötzlich erneut Lärm aus Dutzenden Vogelkehlen, der mich zusammenzucken ließ. Erschrocken drehte ich mich um und entdeckte eine schmale, kleine Gestalt den Gang entlangschwanken, die sich gerade so auf den Beinen zu halten schien. Es dauerte etwas, bis ich Angoulevent erkannte. Irgendetwas stimmte nicht mit ihm.
    Ich rief seinen Namen und sein Kopf ruckte nach oben, wahrscheinlich erkannte er im Dämmerlicht nur mein blondes Haar. Als er näher herankam, sah ich, dass seine Kleidung schmutzig und sein Wams auf der Seite unter dem linken Arm blutdurchtränkt war. Auch sein Gesicht war übel zugerichtet, aus einem Riss über dem linken Auge tropfte Blut auf die Wange. Er blinzelte und hob den Finger an die Lippen, die zu einem schmalen Strich zusammengepresst waren.
    Wir starrten uns an, bis am anderen Ende des Ganges die Tür erneut klappte. Sofort duckte sich der Narr in die Schatten. An der Wand entlang lief er gebückt vorwärts, bis er hinter mir stand. An der Tür erkannte ich zwei bullige Kerle, die den Ausgang versperrten und sich suchend umsahen.
    Als ich noch einmal zu Angoulevent blickte, war er hinter einem Holzblock in Deckung gegangen. Er wollte wohl von den beiden Männern nicht gefunden werden. Wahrscheinlich hatte er bereits einen Zusammenstoß mit ihnen gehabt, so wie er aussah. Bis jetzt hatten sie ihn noch nicht entdeckt.
    Die Männer kamen langsam auf mich zu, ihre Mienen verrieten nichts Gutes und mir schlug das Herz bis zum Hals. Ich bedauerte, dass Orson nicht an meiner Seite war, aber ich hatte den Hund bei Manon lassen müssen, denn die Falken wurden bei seiner Anwesenheit nervös, wenn sie sich nicht frei bewegen konnten.
    War es besser, den Männern zu verraten, wo sich der Narr versteckte, oder sollte ich ihn schützen? Die Kerle sahen nicht so aus, als wäre mit ihnen gut Kirschen essen.
    Wenige Schritte vor mir blieben sie stehen, nur wenige Ellen neben dem Narr, der im Dunkel hockte. Beide Männer überragten mich um einen Kopf und waren doppelt so breit, doch der Falke auf meiner Hand schien sie

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