Blutrote Lilien
Schritt wurden sie nasser und schwerer, aber die vielen Unterröcke schützten uns davor, kalte Knöchel zu bekommen. Blattlose Baumgerippe säumten den Weg und warfen lange Schatten auf den Schnee. Mahnend erhoben sie sich über unseren Köpfen wie stumme Wächter, düster und unnachgiebig, genau wie die Damen und Herren des Hofes.
Während wir langsam an ihnen vorbeischritten, erzählte ich Sophie, wie dumm ich mir vorkam, aber sie drückte nur meine Hand.
»Es ist nicht deine Schuld, die meisten Frauen würden ihm gern glauben, was er ihnen ins Ohr flüstert. Du musst nur achtgeben, Charlotte, der Hof ist kein Ort, an dem man viele Fehler machen darf.« Eindringlich sah sie mich an und erinnerte mich seltsamerweise an Henri, der ähnlich gesprochen hatte. Dann wanderte ihr Blick weiter zu den Fenstern des Louvre. »Du darfst nicht vergessen, dass es an einem Ort wie diesem nicht mehr nur um dich geht. Hier ist niemand allein. Was immer du auch tust, hat Konsequenzen für deine Familie. Dein Vater ist ein mächtiger Mann und auch er hat Feinde.«
Beunruhigt folgte ich ihrem Blick, aber die Sonne spiegelte sich in den Fenstern, sodass man nicht erkennen konnte, ob jemand dahinterstand und uns beobachtete.
»Macht es dir etwas aus, dass ich anscheinend so schlecht erzogen bin, Sophie?« Gespannt beobachtete ich sie, aber sie lächelte nur und zog mich weiter.
»Dir macht es doch auch nichts aus, dass ich Hugenottin bin, oder?« Ihr Blick war voller Mitgefühl und neben Manon war sie die Einzige, die ich um mich herum ertrug.
Was den Marquis betraf, so war ich nicht willens, so zu tun, als wäre nichts gewesen. Der ganze Hof tratschte über mich und es war seine Schuld. Vergeblich wartete ich auf einen Brief von ihm oder die Bitte, mich sehen zu dürfen. Nicht ein einziges Mal hatte er um Verzeihung gebeten oder versucht, mir die Sache zu erklären; er war wohl der Meinung, es ginge mich nichts an.
Nun, dann würde mich der Marquis in Zukunft ebenfalls nichts mehr angehen. Mochte er hingehen, wo der Pfeffer wuchs! Nach reiflicher Überlegung kam ich zu dem Entschluss, Vater bei nächster Gelegenheit darum zu bitten, die Verlobung zu lösen.
- 7 -
Das Abendessen war zu einer schweigsamen Angelegenheit geworden. Henri und Jeanne stritten fast ununterbrochen und vermieden es, den anderen auch nur anzusehen, geschweige denn am Tisch miteinander zu reden. Für einen kurzen Moment sah ich mich und den Marquis an ihrer Stelle, wie wir uns einander beim Abendbrot gegenübersaßen und anschwiegen. Jahrein, jahraus. Das Bild verursachte mir Magenschmerzen.
Die Diener schlichen um uns herum, als könnte der kleinste Fehler zu einer Eskalation führen, und Vater schaute finster auf seinen Teller, als erwartete er, dass ihm das Gemüse gleich Ärger bereiten würde. Eine Woche nach dem Vorfall war noch immer keine Besserung eingetreten. Noch immer warfen mir die Leute Blicke zu und noch immer war die Falte zwischen Vaters Augenbrauen zu sehen. Wahrscheinlich war es nicht der beste Zeitpunkt, um die Hochzeit mit de Bassompierre zu besprechen. Aber ich wollte nicht noch länger damit warten.
»Vater«, begann ich daher eines Abends und legte das Besteck zur Seite. Alle Augen richteten sich auf mich, Henri schien sogar erleichtert, dass ich für Ablenkung sorgte. »Ich habe Euch etwas mitzuteilen.«
Mürrisch sah er mich an. Ich schluckte. Nur Mut, Charlotte , dachte ich.
»Ich habe reiflich über diese Angelegenheit nachgedacht und bin zu der Entscheidung gekommen, dass es mir unmöglich ist, den Marquis zu heiraten.«
So, es war heraus. Erleichtert atmete ich durch. Der schwerste Teil war geschafft.
Erwartungsvoll sah ich Vater an, aber er sagte nur »Pardon?« und rührte sich nicht.
Auch die anderen sagten nichts, sondern starrten mich an, als hätte ich verkündet, mich einer Gruppe Spielleuten anschließen zu wollen.
»Denkt bitte nicht, dass ich mir die Entscheidung leicht gemacht hätte, aber es ist doch ganz offensichtlich, dass der Marquis und ich unterschiedliche Auffassungen darüber haben, wie einige Dinge zu handhaben sind ...« Eine Ehe zum Beispiel ... »Unter diesen Umständen halte ich es für das Beste, wenn sich unsere Wege trennen, bevor ein größeres Unglück geschieht.«
»Und da hast du beschlossen, du willst ihn nicht heiraten.« Vater klang eher erstaunt als zornig, ich wusste nicht, ob mich das beruhigen oder nervös machen sollte.
»Ja«, antwortete ich vorsichtig. »Ihr werdet
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