Blutrote Schwestern
bestimmt.
»Ich?«, fragt sie.
Glaubt sie etwa, ich würde mich an die Fenris ranmachen, nachdem sie mich mit der abgefahrenen Augenklappe und der riesigen Narbe gesehen haben?
Na klar.
Rosie nickt, als ich nicht antworte, und steht auf. Sie atmet aus wie ein Schauspieler, der sich zu konzentrieren beginnt, grinst dann, schnippt ihr Haar beiseite und rennt auf Zehenspitzen zu ihrer Bowlingkugel. Sie beugt sich tief nach vorne, um die Kugel zu werfen, und streckt den Rücken, so dass ihre Kurven sich deutlich vor den neongrünen Shamrock-Lichtern abzeichnen. Die Fenris starren sie begehrlich an. Wieder kommt Neid in mir auf, den ich erneut niederringe.
»Netter Wurf«, sagt der Große und nickt Rosie zu, während sie zu ihrem Sitz zurückgeht.
Ich stehe auf, um meinen Wurf zu machen, versuche aber zuzuhören, worüber Rosie mit dem Fenris redet.
»Kommst du öfter her?«, fragt sie.
»Oft genug«, antwortet er mit rauher, aber trotzdem melodischer Stimme. Man würde nie denken, dass er gefährlich ist. »Kommst
du
denn oft her?«, gibt er die Frage meiner Schwester zurück und spannt den Bizeps an, um seine Stacheldraht-Tätowierung zu zeigen.
»Nein. Das ist mein erstes Mal.«
»Jungfrau«, neckt der Fenris sie, und die anderen kichern. Er scheint der Führer der kleinen Gruppe zu sein, aber er ist kein Alphatier, irgendwie bin ich mir da sicher.
Rosie lächelt zurückhaltend.
»Also, wie alt bist du, Schätzchen?«, fragt er und zeigt ein breites Grinsen. Diese Zähne sollen sie in nur wenigen Minuten zerreißen.
»16.«
»Alt genug zum Fahren! Weißt du, ich hab ein cooles Auto direkt draußen vor der Tür. Ein nagelneues Cabrio, leuchtend rot.«
»Ey, Mann«, sagt ein anderer Fenris leise. »Du weißt, wir sollen nicht … heute Nacht.«
»Mann, geh werfen. Du bist dran«, sagt der Stacheldraht-Fenris herablassend. Einige drehen sich um, um eine Gruppe junger Teenies anzustarren, die gerade vorbeispringen.
»Wie alt bis
du
denn?«, fragt Rosie schnell und versucht, seine Aufmerksamkeit wiederzuerlangen. Sie räkelt sich auf einem Stuhl und dreht ihr Haar zwischen den Fingerspitzen.
»28«, antwortet er mit einem Grinsen und schiebt sich die Hände in die Taschen – vermutlich um die Transformation zu verstecken. Seine Augen sind so sanft, so voller Freundlichkeit … es ist widerlich.
»Bist du nicht ein bisschen zu alt, um mir dein … Auto zu zeigen?«, fragt Rosie und hebt eine Augenbraue.
Der Fenris grinst hungrig. »Ich bin nicht zu alt, um einer Dame eine schöne Zeit zu bereiten. 28 bedeutet nur, dass ich mehr … Erfahrung habe.«
28. Er
könnte
mehr Erfahrung haben – ich wünschte, es gäbe eine geeignete Methode, um festzustellen, wie lange ein Fenris schon ein Wolf ist, anstatt nur das Alter zu kennen, als er sich verwandelt hat. 28 sagt mir nicht viel; genauso wenig wie 14 oder 49. Die Zahlen rasen durch meinen Kopf, als ich sie in den Punktezähler einhämmere.
28
.
14
.
21
.
49
.
Sieben Jahre. Sie wurden alle in einem siebten Jahr umgewandelt.
»Das ist es. Das ist es«, flüstere ich. Mein Herz hämmert, und meine Lippen öffnen sich zu einem Lächeln. Rosie sieht mich an, einen fragenden Ausdruck auf dem Gesicht, und ich lehne mich näher zu ihr hin. »Ihr Alter ist immer durch sieben teilbar«, flüstere ich. »Welpen können nur an ihrem jeweils siebten Geburtstag zwischen zwei Vollmondphasen verwandelt werden …« Ich halte inne, mein Geist arbeitet fieberhaft, und ich erinnere mich an ein Detail aus der Todesanzeige von Joseph Woodlief. »
Nach
ihren Geburtstagen. Es ist die Vollmondphase nach ihren Geburtstagen. Joseph war gerade erst 14 geworden. Darum wird aus einem normalen Typen ein Welpe, weil sie gerade erst in das richtige Alter gekommen sind. Das ist es.«
Rosie schenkt mir ein nahezu unsichtbares Nicken, und ich sehe Verblüffung in ihrem Blick schimmern, fast vollständig verschleiert durch das Neonlicht.
»Willst du nun das Auto sehen?«, fragt der Fenris mit der Stacheldraht-Tätowierung und deutet mit dem Kopf zur Ausgangstür.
Rosie lächelt schüchtern und zuckt mit den Schultern.
Ja, Rosie, ja, bring ihn dazu, dich zu wollen.
Mein Herz erwärmt sich, ist voller Energie, die ich nicht mehr gespürt habe, seit ich Ellison verlassen habe. Einen Schritt näher dran, den Welpen zu finden, ein Rudel Fenris in der Hand. Wir sind wieder Jägerinnen.
»Mann, jetzt komm schon, wir sollen heute Nacht nicht …«, sagt ein anderer Fenris zum
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