Blutrote Schwestern
stinkt.
Silas schlendert mit albernem Habitus auf die Bahn zu und schickt seine sich drehende limettengrüne Kugel mitten in die Rinne. Dann kommt Rosie und schließlich ich. Ich schaffe es, drei Kegel umzuwerfen, was ich Silas natürlich direkt unter die Nase reibe. Er bestellt sich ein Bier und schüttet es zwischen den Gutter Balls herunter, und wir alle – die gesamte Bowlingbahn – versuchen mit der Band mitzusingen, als sie die Texte auf den Bildschirmen einblenden. Zum ersten Mal seit mehreren Jahren, so kommt es mir jedenfalls vor, ist es schwierig, an die Jagd zu denken. Als ob die blitzenden pinkfarbenen Lichter die Gedanken daran in die hinterste Ecke meines Kopfes gescheucht hätten. Dort lauern sie nun, noch immer vorhanden, aber still.
»Macht es dir Spaß?«, fragt Rosie mich mit einem besorgten Gesichtsausdruck. Sie hat mir diesen Blick in letzter Zeit häufig zugeworfen.
Ich lächele widerwillig. »Ja. Aber sag das ja Silas nicht. Sonst wird er noch übermütig.«
»Schon zu spät. Ich hab gerade einen Spare geworfen, meine Damen«, unterbricht uns Silas mit begeistertem Grinsen.
»Da kann ich drüber!« Rosie streckt ihm die Zunge raus und geht zum Kugelrücklauf.
Die jungen Typen neben uns grölen vor Lachen, als einer die Kugel zwischen seinen Beinen schwingt und sie langsam drehend über das Hartholz schickt. Einige starren meine Schwester an. Einer von ihnen ist größer als die anderen, er hat dunkles braunes Haar, das ihm in die Augen fällt, und einen gertenschlanken Körper. Zweifellos ist er attraktiv, trotz der blitzenden Lichter und ablenkenden Geräusche. Ich bin neidisch und will sie beschützen, alles auf einmal, während der lange Typ zwischen Rosie und Silas hin und her glotzt. Vielleicht, um herauszufinden, ob er eine Chance bei meiner Schwester hat. Ich zwinge mich zu einem Lachen wegen des Blicks und kneife die Augen zusammen, um seine Begleiter genauer unter die Lupe zu nehmen. Sie sind
alle
ziemlich attraktiv, mit trendigen Rockstar-Haarschnitten und stylish zerrissenen Klamotten.
Moment mal. Mein Herz schlägt schneller, als ich aufstehe und für meinen Wurf zur Bahn gehe. Habe ich gerade gesehen, was ich zu sehen meinte? Kurz schließe ich die Augen und versuche die blitzenden Lichter auszublenden, als ich mich der Bahn nähere. Rosie feuert mich aus einem meerschaumgrünen Sitz an. Einer der jüngeren Typen – der größte – steht nahezu zur selben Zeit auf, um zu werfen. Ich halte meine Bowlingkugel fest, warte auf ihn, und die Geräusche der Bowlingbahn verstummen. Mein Geist wird scharf, meine Augen ziehen sich zusammen, und das blitzende Licht wird dunkler. Der Typ streckt einen Arm aus und wirft seine Kugel, schickt sie walzend auf die Kegel zu. Da sehe ich es: ein klarer, scharfer schwarzer Pfeil, der eine ausgebleichte Glocke überdeckt. Kaum habe ich es bemerkt, verschwindet es auch schon wieder unter dem dicken Bündchen des Pullovers.
»Wirf schon, Lett!«, schreit Silas, und ich kehre kurz gedanklich zurück zur Bowlingbahn, werfe meine Kugel halbherzig und drehe mich wieder zu meiner Schwester und Silas um, ohne ihr überhaupt hinterherzusehen.
Ich brauche es nicht auszusprechen. Sie bemerken meinen Gesichtsausdruck, und ihre Gesichter sacken zusammen. Ich tue so, als würde ich zur Snackbar hinüberspähen, und studiere jeden einzelnen der Typen. Fenris, alle miteinander. Einige tragen langärmlige Kleidung, so dass ich die Rudelzeichen nicht sehen kann, aber ich weiß es. Ich war ja so dumm – das Licht und der Lärm haben mich abgelenkt. Wir haben die ganze Zeit neben Wölfen gesessen.
Wölfe,
forme ich für Silas und Rosie mit dem Mund, als ich mich hinsetze. Silas beißt die Zähne zusammen und nickt, ohne die Fenris anzublicken, Rosie späht heimlich in ihre Richtung. Sie lächelt niedlich – ich schätze mal, einer von ihnen hat ihren Blick kurz aufgefangen.
Silas und Rosie sehen einander an, ein trauriger Blick. Ein Blick, der nur sie verbindet. Sie wollten heute Abend Spaß haben und denken, ich kann mir das nicht vorstellen. Aber unsere Aufgabe hat Vorrang.
»Schaff sie zum Parkplatz. Ich warte dort«, sagt Silas schnell. Er steht auf und schlüpft aus seinen Bowlingschuhen, dann stürmt er über den gemusterten Teppich zur Tür hinaus. Der lange Fenris sieht zu, wie Silas geht, und wirft dann einen beiläufigen Blick auf meine Schwester und mich. Er beobachtet jede einzelne Bewegung, wartend, wollend. Ich mustere Rosie
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