Blutrote Schwestern
sie
mich
aufgeben.
Als ich ins Apartment zurückkehre, sitzt Rosie mit einem Handtuch um den Kopf am Esszimmertisch. Die Dusche läuft, daher ist klar, wo Silas ist. Ich lasse den Blick durch den Raum wandern – Klette ist völlig durchnässt und leckt sich in der Nähe unseres Bettes entrüstet das Fell.
»Was ist passiert?«, frage ich geradeheraus. Ich schlüpfe aus meinen Klamotten und lasse sie in einem nassen Stapel vor unserem Schlafzimmer liegen.
»Klette ist rausgelaufen«, erklärt Rosie. Etwas in ihrer Stimme macht mich stutzig, ein Singsang, der sich ein bisschen wie der Tonfall einer Zeichentrick-Prinzessin anhört.
Ich hebe eine Augenbraue, aber sie schaut nicht vom Buch auf, das sie gerade durchblättert. Also nicke ich nur und ziehe mir ein trockenes T-Shirt und Jeans an.
»Das da habe ich bereits durchgesehen. Zweimal«, sage ich ihr.
»Entschuldigung. Ich versuche nur zu helfen.« Rosie klappt das Buch zu.
»Ich weiß.« Ich versuche den verbitterten Klang aus meiner Stimme zu verbannen, aber es fällt mir schwer. Die Enttäuschung über Silas brodelt immer noch unter der Oberfläche.
»Ist dir was Neues eingefallen?«, frage ich und setze mich neben sie an den Tisch.
»Nein. Wir könnten genauso gut ganz am Anfang stehen.« Rosie seufzt, wirft das Buch auf den Boden und nimmt sich kein neues. »Silas will Pa Reynolds besuchen. Ich bleibe aber hier und recherchiere mit dir.« Rosie legt ihre Beine auf einen Stapel Bücher vor sich. Sie sind mit pinkfarbener Creme bedeckt.
»Wofür ist das?«, frage ich.
Rosie zuckt mit den Schultern. »Anscheinend bin ich, während wir Klette gejagt haben, durch Giftefeu gelaufen. Ich glaube aber, ich habe es abgekriegt und die Galmeicreme rechtzeitig draufgemacht.«
»Ich hoffe es«, sage ich und betrachte ihre makellose Haut. »Giftefeu ist mies. Erinnerst du dich an unser gemeinsames Erlebnis, als wir klein waren?«
»Nein«, korrigiert mich Rosie. »Du hattest sie zuerst, und erst später war ich dran. Ich erinnere mich, dass du aus Versehen darin herumgerollt bist, als wir gespielt haben. Dein Gesicht war ganz geschwollen. Aber weißt du noch, wie ich es abbekommen habe, so ungefähr … eine Woche später?«
Ich nicke.
»Ich hab es mit Absicht gemacht. Ich bin nach draußen gegangen und hab mich an derselben Stelle im Giftefeu gewälzt.«
»Was? Bist du bescheuert?«, frage ich lachend.
Rosie schüttelt den Kopf. »Mama hat dich in ihrem Bett schlafen lassen. Ich musste ganz allein in unserem Zimmer schlafen und war einsam.«
»Also hast du dich im Giftefeu gewälzt?«
»Ich war furchtbar eifersüchtig auf dich, und ich hätte alles getan, um zu sein wie du. Selbst etwas Dummes …« Sie verstummt.
Silas unterbricht uns, da er aus dem Badezimmer kommt, die zerknitterte Kleidung auf der noch feuchten Haut. Er ignoriert mich und beginnt seinen Koffer zu durchwühlen, bis er ein Paar Socken aus dem Klamottenhaufen zieht. Ich bemerke, dass er Galmeicreme auf den Unterarmen hat.
»Rosie sagte, du willst Pa Reynolds besuchen?«, frage ich. Die Worte sind irgendwie ein Friedensangebot.
»Ja. Ich hab ihn, seit wir hier sind, erst einmal besucht.« Silas wirft sein nasses Handtuch über eine Stuhllehne. »Ich bin so gegen acht oder neun zurück, schätze ich mal. Wir jagen heute Nacht?«
Ich nicke. »Wir können auch schon ohne dich losgehen, wenn du willst. Du kannst jederzeit nachkommen.« Ein weiteres Friedensangebot, aber eines, das ich mir mühsam abringen muss.
Silas wirkt beeindruckt, und ich glaube so etwas wie Schuld in seinen Augen aufblitzen zu sehen. Er sieht zu Rosie hinüber und dann zurück zu mir, mit einem entschuldigenden Lächeln. »Das hört sich gut an, Lett.«
Silas zieht sich Schuhe an und wuschelt sich mit den Fingern durchs Haar, dann wirft er mir und Rosie ein kurzes Winken zu und geht. Er ist immer noch sauer, zumindest ein bisschen. Es hat bei ihm schon immer eine Weile gedauert, bis er sich beruhigt hat. Aber ich brauche ihn, ich brauche Rosie. Ich will nicht allein sein. Ich zögere und eile ihm dann hinterher. Er ist auf dem zweiten Absatz der Treppe, als ich die Tür erreiche.
»Ich kann mitkommen, wenn du willst?«, biete ich an.
Silas blickt zu mir auf und verzieht den Mund zu einem Lächeln. »Ist schon okay. Wir können ein anderes Mal gehen.«
»Okay«, antworte ich, aber er bewegt sich nicht. Ich senke den Blick. »Du
kommst
doch zurück, oder?«
Silas wirkt überrascht. »Dass du ein Stachel im
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