Blutrote Sehnsucht
Und so langsam wie nur möglich, Vater.«
»Was hat dieser Auftritt zu bedeuten, Deirdre?«, fragte Rubius streng und blickte zu Freya, bevor er seinen Blick kurz über Stephan gleiten ließ und sich dann wieder Dee zuwandte. Stephan war nach wie vor nackt. Verzweifelt versuchte er, wieder zur Besinnung zu kommen, noch immer nicht ganz sicher, was geschehen war.
Dee holte tief Luft. »Es ist wegen Stancie. Sie ist ...« Dee warf Stephan einen mörderischen Blick zu. »Er ... er hat die Kontrolle verloren. Er hat sie ... in den Wahnsinn getrieben.«
Rubius schlug sein Buch zu. Vielleicht war der Tod durch die Hand des Ältesten das Beste, was er zu erwarten hatte. Bei der Erinnerung an den leeren Blick in Stancies Augen und ihr irres Gelächter brach ihm der kalte Schweiß aus.
»Er verdient eine Woche in der Sonne, bevor er stirbt«, zischte Dee und fuhr wieder zu ihm herum.
Stephan konnte nichts zu seiner Verteidigung vorbringen.
»Es war nicht seine Absicht, was passiert ist, Vater, dessen bin ich mir völlig sicher«, sagte Freya mit belegter Stimme. Dann ließ sie sich in einen großen Ledersessel sinken und schlug die Hände vors Gesicht.
»Das ist mir egal.« Dee wandte sich zu Rubius. »Wenn du sie sehen könntest, Vater ...« Sie verstummte, als der Älteste sich erhob. Das Mönchsgewand spannte sich über Rubius’ umfangreichen Bauch.
»Nehmt euch zusammen, ihr beide!«, sagte der Älteste scharf. »Natürlich werde ich sie sehen. Aber ich kann mir schon denken, was geschehen ist.«
»Ich will, dass er bestraft wird, immer und immer wieder ...«
»Und all eure Arbeit war umsonst?« Rubius warf das Buch auf den Sessel und ging mit schmalen Augen auf Stephan zu, dem es kalt über den Rücken lief. »Wie ist das passiert?«
Stephan war nicht sicher, an wen die Frage gerichtet war. Als er Dee anschaute, funkelte sie ihn nur böse an. Freya begann wieder zu weinen. »Sie hat mir ... privaten Unterricht gegeben«, sagte er nach einem tiefen Atemzug. Konnte man es so bezeichnen? Und würden sie es auch so sehen?
»Allein?«, fragte Rubius scharf.
»Dee hatte sie gewarnt«, warf Freya ein, die alle auf einmal zu verteidigen versuchte.
Ein unbeugsamer Zug erschien um Rubius’ Mund. »Wie lange ging das so?«
»Ich ... ich weiß nicht. Monate.«
Die hellblauen Augen des alten Mannes bekamen einen harten Ausdruck. »Und?«
»Ich ... ich habe die Kontrolle verloren.« Stephan starrte auf den Boden und betete zum Himmel, dass Rubius nicht merkte, dass er vor Angst, Bedauern und innerer Bewegung schwitzte.
»Er muss versucht haben, ihr wehzutun«, beharrte Dee. »Wie sollte sie denn sonst verrückt geworden sein?«
Rubius seufzte. »Du weißt, wie es funktioniert, Deirdre. Ihr Impuls wendet sich gegen sie. Sie bekommt einen Stoß von dem, was immer sie auch ist.«
»Nein, er muss sie ...«
»Du hörst nicht zu«, blaffte Rubius sie an. »Du konntest doch nicht blind sein für die Tatsache, dass Estancia instabil war. Ihre Sexbesessenheit, die Hemmungslosigkeit, die Eifersucht? Ich hatte euch gewarnt, ein Auge auf sie zu haben. Und doch muss ich nun feststellen, dass ihr sie mit dem Büßer allein gelassen habt, ohne Aufsicht und Kontrolle. Sie hat all eure Arbeit in Gefahr gebracht.« Er zeigte mit ausgestreckter Hand auf Stephan. »Seht ihn euch an! Sie hat sein Selbstvertrauen geschwächt. Sein Empfinden ist außer Kontrolle. Es kann sein, dass sie alles verdorben hat.«
»Du kannst doch nicht vorhaben, ihn an seiner Mission festhalten zu lassen?«, fragte Deirdre empört.
»Natürlich kann ich das! Setz dich! Und du, Freya, hör auf zu jammern!«
Er wartete, bis sie sich von ihrem Schreck über seinen strengen Ton erholt hatten, und bedeutete Stephan, sich auf den Teppich vor dem Feuer zu knien. »Und nun lasst uns ein paar Punkte klarstellen. Nichts wird unsere Mission aufhalten, oder wenn, dann nur der Tod des Büßers. Und ich habe nicht die Absicht, ihn zu töten.« Stephan konnte den harten Blick des Ältesten und seinen unbeugsamen Willen spüren. »Er hat schlimmere Verbrechen begannen, als bei Estancia die Kontrolle zu verlieren.«
Stephan wurde die Brust eng, als ihn wieder Schuldgefühle überfielen. Er verdiente dieses Schicksal.
»Dann bestraf ihn wenigstens, Vater! Eine Woche in der Sonne ...«
»Würde ihn schwächen! Dazu haben wir keine Zeit!« Die massige Gestalt des alten Mannes schien das ganze Zimmer auszufüllen, als er auf und ab zu gehen begann. »Unsere Situation
Weitere Kostenlose Bücher