Blutrote Sehnsucht
glühenden Augen stolzierte sie auf sie zu. Der geistige Zwang eines sehr alten Vampirs, der ältesten von Rubius’ Töchtern, drohte sie in seinen Bann zu ziehen. »Dann werde ich sie beseitigen müssen.«
Deirdre machte einen Satz nach vorn und griff nach Anns Arm, aber Stephan packte Dee an der Schulter und stieß sie fort. Sowie er sie berührte, leuchtete die Aureole wieder auf. Deirdre hielt Ann fest. Sie waren ein Kreis aus flirrender Macht. Ann spürte wieder ihren Gefährten durch ihre Adern rauschen, und ein roter Nebel breitete sich in der Krypta aus.
»Du wirst nie aufhören, was?«, knurrte Stephan, die Augen dunkelrot und wütend. Nun ließ er Ann los und packte Deirdre mit beiden Händen an den Schultern. Als er sie von sich stieß und sie buchstäblich durch die Luft warf, ließ er seine Macht frei. Er hörte einfach auf, sie zu beherrschen.
Deirdre brach in Flammen aus. Sie begannen nicht an einem Punkt und breiteten sich dann aus, und sie entzündeten sich auch nicht überall zugleich und schlugen höher. Nein, gerade war sie noch in der Luft, ihre roten Augen sprühend vor Wut, und im nächsten Augenblick war sie ein glühender Feuerball. Bis der brennende Ball die Erde traf, waren nur noch Kohlestückchen übrig, die zischend auf dem kalten Boden aufkamen.
Ann war wie erstarrt vor Schock. Auch Stephan war wie gelähmt und zitterte vor Wut. Das einzige Geräusch war Freyas Schrei.
»Dee«, schluchzte sie. »Dee!« Durch die dunklen Bögen vor der Treppe kam Freya auf sie zugerannt. Aufschluchzend warf sie sich vor der Kohle auf die Knie und sah sich verzweifelt um, als könnte Deirdre sich noch irgendwo dort befinden. Ann sah schweigend zu, zu schockiert noch, um ein Wort hervorzubringen. Schließlich setzten ihre Füße sich aus eigenem Antrieb in Bewegung und brachten sie zu Stephan. Er zog sie an seine Seite, und sie schlang die Arme um seinen nackten Körper.
Freyas Schluchzen ließ allmählich nach. Sie lehnte sich auf den Knien zurück und blickte mit tränenüberströmtem Gesicht zu ihnen auf. »Willst du mich nicht auch vernichten, Stephan?« In ihrer Stimme schwang kein echter Einwand gegen diesen Ausgang mit.
Ann spürte, wie Stephan neben ihr den Kopf schüttelte. »Ich wollte sie nicht töten«, sagte er grollend. Ein Zittern durchlief seine breite Brust, als er tief ein- und ausatmete. »Wenn du uns nichts Böses willst, warum sollte ich dich dann töten wollen? Du warst die Einzige, die ein bisschen freundlich zu mir war.« Unwillkürlich verstärkte er den Griff um Anns Schultern.
»Von mir aus kannst du es ruhig tun. Ich kann sowieso nirgendwo mehr hin.« Freyas Stimme war wieder flach und ausdruckslos geworden.
»Geh zurück und sag deinem Vater, er solle sich die Mühe sparen, einen anderen zu schicken. Das Ergebnis wird das Gleiche sein.« Stephan lehnte sich jetzt schwer auf Ann, woran sie merkte, wie erschöpft er war.
»Ich kann nicht mehr dorthin zurück. Nicht nach Deirdres Tod und nach meiner Weigerung, Vater zu gehorchen.«
Ann hätte fast etwas gesagt, aber sie unterdrückte den Impuls, sich einzumischen. Diese Entscheidung musste Stephan treffen. Wie er zur dritten der Töchter Rubius’ stand und wie er jetzt reagierte, war Teil seines Weges und nicht des ihren.
»Ja, Rubius entschuldigt keine Fehler«, stimmte er ihr zu.
»Er wird Buße wollen«, sagte Freya leise, als fragte sie sich schon, was für eine Art von Buße ihr auferlegt werden würde.
Würde Stephan es dabei belassen? Ann wartete. Als er schwieg, riskierte sie einen Blick auf ihn. Er kaute unschlüssig auf seiner Unterlippe.
Dann straffte er sich. »Nein. Du musst zurückgehen, Freya, um ihm zu sagen, dass du nicht die Absicht hast zu büßen. Das ist der einzige Weg, wie du als seine Tochter weiterleben kannst. Schließlich hast du kein Verbrechen begangen.« Er löste sich von Ann, um vorzutreten, und sie ließ ihn gehen. »Du hast dich geweigert, dich an etwas zu beteiligen, was du für falsch hieltest. Recht und Unrecht haben einen höheren Stellenwert als die Anweisungen eines Vaters. Sie übersteigen die Regeln. Warum solltest du dich schuldig fühlen? Warum solltest du Buße tun?« Er half ihr aus ihrer knienden Stellung auf. »Kehre nach Mirso zurück, Freya! Sag es ihm, und geh dann fort!«
»Fort von Mirso?« Ihre Stimme war unsicher und ängstlich, ihr weißes Kleid grau vom Staub des Bodens und den Flecken, die die Kohle darauf hinterlassen hatte. »Mirso ist der einzige
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