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Blutrote Sehnsucht

Blutrote Sehnsucht

Titel: Blutrote Sehnsucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Squires
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zusammen. Dann kam der Arzt und erklärte nach einer Untersuchung, es gehe ihrem Onkel besser. Ann schickte Dr. Denton in die Dienstbotenquartiere zu Alice, die wenig später in die Kutsche verfrachtet wurde und mit Jennings losfuhr.
    Am Nachmittag sah Onkel Thaddeus schon ein bisschen besser aus. Er sagte Ann, er werde Erich in dem zu Maitlands gehörenden Jagdhaus in der Nähe von Winscombe wohnen lassen. Ann hoffte, dass Erich die meiste Zeit dort bleiben würde. Im Moment wagte sie noch nicht, ihren Onkel mit Geschichten über den Cousin aufzuregen. Irgendwie würde sie diese widerliche Kreatur auf Distanz halten, bis ihr Onkel ihr wieder eine Stütze sein konnte.
    Am späten Nachmittag saß Ann im Lieblingssessel ihres schlafenden Onkels und flickte eines seiner Nachthemden. Der Stuhl erzählte ihr von ihm, und so erfuhr sie nun, dass es schon seit einiger Zeit um seine Gesundheit nicht sehr gut bestellt war. Onkel Thaddeus hatte ihr aber nichts davon erzählen wollen. Der Faden, den sie benutzte, sprach von den vielen Leben derjenigen, die ihn geschaffen hatten, von einigen, die voller Leiden, und anderen, die voller Liebe gewesen waren. Die Schatten wurden länger. Die gut brennenden Eichenscheite im Kamin knisterten und knackten. Ann versuchte, die Angst zu unterdrücken, die an ihr nagte. Ihr Onkel musste wieder gesund werden. Er musste es einfach! Dr. Denton irrte sich. Alles würde wieder so werden, wie es noch vor wenigen Tagen gewesen war.
    Die große Standuhr in der Halle begann zu schlagen. Ann hob abrupt den Kopf und stach sich dabei in den Finger. Ihr Onkel sollte sie um vier Uhr zum Hammer und Amboss und zu Friedensrichter Fladgate zur Befragung bringen! Wahrscheinlich könnte sie Onkel Thaddeus’ Erkrankung als Entschuldigung für ihr Fernbleiben geltend machen, aber wenn sie sich nicht sehen ließ, würde eine Horde von Dorfbewohnern an die Tür hämmern und ihren Onkel in helle Aufregung versetzen. Und einen weiteren Schock würde sein Herz vielleicht nicht aushalten. Es gab nur einen Weg, das zu verhindern. Sie musste allein in die Dorfschenke gehen.
    Ann schöpfte tief Atem. Das letzte Mal, als sie einer Menschenmenge gegenübergestanden hatte, war vor elf Jahren bei Malmsys Beerdigung gewesen. So viele Menschen, die sie mit ihren Sorgen oder verborgenen Schuldgefühlen überschütten konnten, indem sie sie nur streiften ... Ihr Kopf und Geist waren nicht stark genug dafür. Unwillkürlich legte sie eine Hand an die Stirn. Aber sie musste hingehen. Bei Malmsys Begräbnis waren ihr Onkel und Dr. Denton bei ihr gewesen, um sie zu beschützen, aber würde sie dem Friedensrichter allein gegenübertreten können?
    Sie stand auf und klingelte nach Polsham. Jennings würde inzwischen von Wedmore zurück sein. Während Polsham die Kutsche vorfahren ließ, ging Ann nach oben in ihr Zimmer und legte den Umhang um. Möge Gott ihr Kraft geben, um das, was vor ihr lag, zu überstehen!
    Stephan kleidete sich gerade zum Ausgehen an, als er laute Stimmen draußen auf dem Hof vernahm. Das Hammer und Amboss schien das lärmende Herz des Dorfes zu sein. Das Inn war wirklich nicht der ideale Ort, um tagsüber zu schlafen. Stephan band seine Schalkrawatte und steckte ihre Enden fest. Dann glaubte er, das Wort »Hexe« in dem Geschrei zu hören, lief zum Fenster und öffnete die Läden. Als er die Augen gegen das schon schwächer werdende Sonnenlicht zusammenkniff, sah er die grazile Schönheit, der er vergangene Nacht begegnet war, aus einer Kutsche steigen und sich furchtsam umsehen.
    »Ich wette, du traust dich nicht, sie anzufassen, Jemmy«, forderte ein stämmiger Bursche einen Jungen heraus, dessen Gesicht dem einer Ratte ähnelte.
    »Fass sie doch selbst an, du Feigling!«, gab Jemmy zurück.
    »Sie sieht eure Geheimnisse, wenn ihr sie berührt«, gackerte ein runzeliger alter Mann.
    »Ich wette um ’n Glas Bier, dass du’s nicht tust«, rief der erste Strolch.
    Ein berechnender Blick erschien in Jemmys Augen. »Mach zwei daraus!« Sie hatten das Mädchen, das mit dem Rücken an der Kutsche stand, umzingelt. Die Horde Männer wurde immer größer.
    »Abgemacht!«
    Jemmy sprang auf die junge Frau zu, die aufschrie, als er eine Hand um ihren Arm schloss. Beide erstarrten zu einem lebenden Bild. Die Männer um sie herum zogen scharf die Luft ein und wichen zurück. Das Mädchen riss die Augen auf, schien jedoch nichts zu sehen, zumindest nichts von dieser Welt. Sie begann zu zittern. Auch Jemmy durchlief ein

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