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Blutrotes Wasser

Blutrotes Wasser

Titel: Blutrotes Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonas Torsten Krueger
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nickte nur. Vor ihm breitete sich eine Grotte in der Dimension einer Turnhalle aus. Auch hier waren die Wände zum größten Teil mit Beton verkleidet, aber auch Ziegelsteine und blanken Fels erkannte er. An den Wänden hingen Fackeln, irgendwo hämmerten Trommeln, Rauch und Hitze hingen in der Luft. Lázlo kam sich vor wie in einem Hollywood-Film, der einen Schatzjäger auf Artefakt-Jagd zeigte. Das war alles … ziemlich abgefahren. So groß der Raum auch war, so wenig Platz blieb Frosch und Lázlo. Es mussten sich mehr als hundert Menschen hier versammelt haben, nur Männer oder, wie Lázlo schnell merkte, nur Jungs. Manche wirkten noch jünger als Frosch, andere sahen aus wie Studenten. Aber älter als zwanzig schien hier keiner zu sein. Sie quatschten und lachten, tranken Bier aus Plastikbechern, warfen im qualmenden Fackellicht verzerrte Schatten und strahlten fiebrige Erwartung aus. Genau, wie Lázlo es sich gedacht hatte: eine Party.
    Frosch verschwand im Gedränge, durch das ein plötzliches Raunen ging. Die Menge schob sich enger zusammen. An einem Ende der Halle war ein kleines Podest aufgebaut, auf das jemand hochkrabbelte.
    »Hallo, Janosch«, murmelte Lázlo, als er das runzlige Greisen-Lächeln sogar auf diese Distanz erkannte.
    Janosch breitete die Hände aus wie ein Dirigent und das Orchester gehorchte: Fast augenblicklich verstummten alle.
    »Brüder!«, krächzte Janosch los. »Ihr Getreuen der
Fekete Sereg
. Die Schwarze Armee festigt ihren Gruß.«
    »Auf in die Freiheit!«, brüllte die Menge geschlossen, so laut und wütend, dass Lázlo zusammenzuckte.
    »Brüder!«, wiederholte Janosch. »Ungarn braucht euch. Die neue Flamme wird die Unterdrückung von Jahrhunderten wegbrennen. Unsere Rasse wird sich erheben. Als echte Menschen, nicht als Spielzeug von Fremden und Ausländern, nicht als Opfer der Zigeuner und Bankiers. Wir lassen uns nicht länger knechten!«
    »Auf in die Freiheit!«, brüllte das Publikum, womöglich noch lauter und wütender als zuvor.
    Lázlo dagegen stöhnte auf. Wo war er hier gelandet? Mitten in einer Truppe irrer Rechtsradikaler, die gegen Sinti und Roma hetzten? Heil-schreiende Neonazis? Er musste sofort weg. Lázlo drehte sich um und starrte auf eine lebendige Wand aus Körpern. Sie musterten ihn eher neugierig als bedrohlich, mehr spöttisch als brutal. Dennoch waren ihre Blicke eindeutig: Hier kommst du nicht raus.
    Schluckend wandte sich Lázlo wieder dem Podium zu, auf dem Janosch immer noch den Hampelmann machte.
    »Niemals mehr Knecht sein. Niemals mehr Opfer. Sie haben uns lange genug unterdrückt. Auf in die Freiheit!«
    Wieder antwortete die Menge wie ein lebendiges Echo. Die geballte Kraft der hundert zornigen Stimmen klingelte in Lázlos Ohren.
    »Unser Führer wird uns leiten«, machte Janosch weiter. »Wird uns den Weg weisen. Unser Führer wird uns die Freiheit bringen!«
    Anscheinend lief das Ganze nach einem festen Ritual ab, denn diesmal rief niemand nach der Freiheit. Die gesammelte Truppe begann ein einzelnes Wort zu skandieren, so wie man einen Popstar oder den Topfußballer seiner Lieblingsmannschaft auf den Platz forderte.
    »Holló, Holló!« brüllte die Menge. Lázlo brauchte einen Augenblick, bis er das Wort erkannte. Holló? Rabe? Hatte der Obermacker hier einen schwarzen Vogel? Obwohl Lázlo sich an einem Grinsen versuchte, gingen ihm die rhythmischen Rufe unter die Haut. Immer lauter, immer schneller skandierten hundert junge Männer: »Holló, Holló, HOLLÓ, HOLLÓ!«
    Eine Gänsehaut marschierte seine Arme hinauf. Tief unter der Burganlage von Buda, in einem Saal aus Fels und Stein, umflackert von Fackellicht und den Geistern von Jahrhunderten – kein Wunder, dass diese Inszenierung wirkte. Lázlo schüttelte sich und zuckte zusammen, als die Rufe abbrachen, abrupt und schnell wie ein zerbrochener Bleistift. Und wieder erschauerte er, als eine neue Stimme flüsterte und gleichzeitig donnerte.
    »Ich danke euch, meine Söhne. Ich danke euch, meine Treuen.«
    Kein Rabe, aber schwarz schon. Irrsinnig und beeindruckend zugleich stand plötzlich ein Mann im schwarzen Umhang neben Janosch und tätschelte dessen Schultern. Um sein dichtes schwarzes Haar lag eine Art Kopfreif, etwas, was Lázlo nur dank seiner Römer-und-Sklaven-Spiele in früher Kindheit erkannte: ein Lorbeerkranz. Vor dem Gesicht trug der Mann eine silberne Maske mit grazil geformten Metall-Augenbrauen und einem spöttisch geschwungenen Mund.
    »Ich danke euch.« Wieder

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