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Blutrotes Wasser

Blutrotes Wasser

Titel: Blutrotes Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonas Torsten Krueger
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sich an die Holzwand, unter das überkragende Dach. Die Wand war noch sonnenwarm. Ihre Hand auch. Er drückte sie und spürte, wie ihre Finger seine pressten. Ein Blitz flammte auf, zündete für einen Augenblick Licht über der Margareteninsel, und Lázlo sah Lena im durchnässten T-Shirt, der Stoff eng auf ihrer Haut, fast durchsichtig, ihre Brustspitzen hart und wunderschön.
    »Du darfst sie auch anfassen«, sagte Lena, kurz bevor der Donner sie erschreckte und in Lázlos Arme warf. Ihre Umarmung war gierig und fest, ihre Lippen schmeckten nach Wiese und Sonne, aber auch nach Salz und hungrig. Sie küssten sich, schoben ihre Hände unter den regenassen Stoff, wanderten über Haut und Muskeln, berührten vorsichtig und wild zugleich.
    »Verfluchtes Elend, wie spät ist es?« Lázlo riss sich los.
    »Was?«
    »Wie spät!« Er packte ihren Arm und schaute auf die Taucheruhr. »Fuck! Ich muss los.«
    »Das ist nicht dein Ernst.«
    »Es … es tut mir leid, Lena. Bitte … die Fekete Sereg. Ich kann nicht anders … ich …«, Stotternd fuhr er durch ihre Haare. Drückte einen raschen Kuss auf ihren Mund, drehte sich weg. »Sehen wir uns morgen?«, rief er gegen den Regen an, schon drei Schritte fort von ihr und während er sich noch einmal umdrehte.
    »Das ist doch jetzt nicht dein Ernst«, brüllte Lena. »Das kannst du doch nicht machen. Du … du … Knutschkugel!«
    22.45 Uhr, Óbuda, Wohnsiedlung Faluház
    Lázlo fluchte seit zwanzig Minuten und er fluchte immer noch, als er endlich den Schlüssel fand. Aber er hatte gehen müssen: Die Schwarze Armee hatte Vorrang – vor allem und jedem. Disziplin war Holló heilig, das hatte er seinen Jüngern wieder und wieder eingeprägt. Wer nicht pünktlich seine Aufgaben erfüllte, der demonstrierte Missachtung. Und Janosch hatte gesagt, Lázlo gehöre jetzt zum inneren Kreis. Er hatte Lena … O Mann, die war jetzt bestimmt monatelang sauer. Oder Jahre. Verdammt, verdammt, verdammt.
    Er steckte den Schlüssel ein, drehte die Zündung und betete, dass noch genug Benzin im Tank war. Das Mofa gehörte ihren Nachbarn auf der anderen Seite: einem jungen Ärztepaar, von dem man so gut wie nie etwas hörte. Sehr angenehme Nachbarn, die auch nichts dagegen hatten, wenn sich Lázlo in Notfällen ihr motorisiertes Zweirad auslieh. Und das hier war ein Notfall: Wenn er es noch halbwegs pünktlich in die Tunnel schaffen wollte, brauchte er mehr PS als seine Beine hergaben. Lázlo kickte den Ständer weg, ließ das Mofa anrollen und gab Gas. Der Motor fauchte, der Tank war noch halb voll. Das Gewitter hatte sich ausgetobt, aber am Horizont funkelte noch Wetterleuchten auf. Auch die große Gießkanne war leer: Nur vereinzelte Tropfen klatschten in sein Gesicht. Das Wasser dagegen stand knöcheltief auf den Straßen, sodass Lázlo mehr als einmal gefährlich ins Schleudern geriet. Aber er musste pünktlich sein. Mit knatterndem Motor jagte er den Burgberg hinauf.
    22.46 Uhr, an der Donau
    Lena konnte es nicht fassen: Er war einfach abgehauen. Das durfte wirklich nicht wahr sein. Wütend schluppte sie auf der Donaupromenade entlang, sah neben sich das Parlamentsgebäude so hell strahlen, als wäre es für Weihnachten geschmückt.
    Abgehauen.
    »Der Typ«, erklärte Lena der Donau, »hat mich im wahrsten Sinne des Wortes im Regen stehen lassen. Ich glaub’s einfach nicht!«
    Aber warum? Hatte er Schiss bekommen? Lena fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. Noch immer glaubte sie die Küsse spüren zu können, seine Zärtlichkeit und Sehnsucht. Was war bloß los mit diesem Kerl? Aber sie glaubte nicht wirklich, dass sein Blitzverschwinden mit ihr zu tun hatte. Vielleicht gab’s zu Hause Stress? Wenn sie darüber nachdachte, verabschiedete sich Lázlo meistens kurz vor Mitternacht. Wohin ging er? Was machte er? Wer zum Teufel war er?
    Lena ging langsam an der Donau entlang. Die Luft war nach dem Gewitter klar, aber nicht kalt. Sie fröstelte ein wenig in ihren nassen Klamotten, die langsamer trockneten, als ihr lieb war. Lena ließ das Parlament hinter sich und schaute auf die andere Flussseite, wo sich die Burg erhob. Stolze Mauern, im Flutlicht strahlend und funkelnd wie ein großkarätiger Edelstein. Budapest in der Nacht war wirklich wunderschön: Die großen Brücken leuchteten genauso hell wie die historischen Gebäude, und all das spiegelte sich grandios im Wasser der Donau. Einen kurzen Moment lang streiften ihre Gedanken die Frage, ob sie wohl je wieder würde tauchen können,

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