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Blutrotes Wasser

Blutrotes Wasser

Titel: Blutrotes Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonas Torsten Krueger
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starrte er auf das Gitter. In Actionfilmen rissen die Helden so ein Ding mit bloßen Händen heraus, aber Lázlo berührte es noch nicht einmal – die vier dicken Schrauben sahen stabil aus. Stattdessen stieg er die Leiter herunter, hoffte auf sein Glück und suchte nach Werkzeug. Einen Schraubenzieher zum Beispiel.
    21.55 Uhr, Pension Liszt, V. Bezirk
    Lena drückte auf den winzigen roten Hörer und entzifferte auf ihrem Handy die Uhrzeit: fünf Minuten vor zehn. Es war schön gewesen, mit ihrer Mutter zu telefonieren, die sich ein bisschen, aber nicht zu gluckig um Lena allein in Budapest Sorgen machte. Leider hatte sie nichts von dem erzählen können, was sie wirklich beschäftigte. Ihre Angst vorm Tauchen, ihre Unsicherheit und ihr vager Verdacht, dass Lázlo etwas mit einer Gruppe zu tun hatte, die von der Polizei gesucht wurde. Lena scrollte durch ihr Adressbuch. Dieser Kommissar war nicht dabei. Nur Sándors Nummer hatte sie gespeichert. Und Lázlos natürlich. Sollte sie ihn einfach fragen?
    21.59 Uhr, Burgberg, Tunnelanlage
    Lázlo zerrte an dem Gitter, das sich endlich mit einem leisen Quietschen löste, nahm es ab und steckte seinen Kopf in den Lüftungsschacht. Viel mehr Platz war auch nicht – hoffentlich musste er sich da nicht reinquetschen. Er schloss die Augen und lauschte. Immer noch zwei Stimmen. Die eine gehörte Holló – sein metallisch künstlich verzerrter Sound war jetzt unverkennbar. Die andere musste Janosch gehören. Mehr als Gemurmel und vereinzelte Worte verstand Lázlo aber nicht – er musste näher heran. Sein Kopf steckte im dunklen Quadrat des Lüftungsschachts wie in einem Gasofen. Auch eine Selbstmordvariante. Nicht daran denken. Vorsichtig schob er sich vorwärts, aber das Loch war wirklich eng. Er legte die Arme an seinen Körper, zog die Schultern ein, drückte sich mit den Füßen von der Leiter und schob sich in den Schacht hinein. Gerade mal so. Wenn Lázlo nur ein paar Zentimeter breiter gebaut gewesen wäre, hätte er keine Chance gehabt. Hatte eben doch seine Vorteile, dürr wie eine Kiefernnadel im Sommer zu sein. Das hatte seine Mutter immer gesagt. Früher, als Papa noch lebte, als noch alles in Ordnung war und …
    Nein, nicht daran denken. Nicht jetzt. Stück für Stück robbte er in dem engen Schacht vorwärts. Dabei dachte er an Lena – plötzlich konnte er ihre Angst gut verstehen. Immerhin könnte er, falls er hier stecken bleiben würde, nicht ersticken. Das war doch schon mal was. Noch ein paar Zentimeter in der engen Röhre, dann kam ein Knick. Unmöglich, sich um diese Ecke zu zwängen. Aber das war auch nicht nötig. Kaum hatte sein Ohr die Biegung erreicht, konnte er die Stimmen deutlich erkennen. Und die Wörter.
    »… die Polizei?«, raunte Holló gerade. »Bist du sicher?«
    »Ja, Rabe. Ich habe diesen Kommissar schon einmal gesehen. Und auch den Psycho-Arzt, Doktor Anday.«
    Lázlo lauschte angestrengt – von was redeten sie?
    »Und?« Das war wieder Holló. »Hat er etwas gesagt?«
    »Ich glaube nicht«, antwortete Janosch. »Die waren nur ein paar Minuten in seinem Zimmer. Außerdem war Frosch ziemlich fertig, als ich ihn vorher … besucht habe.«
    »Gut«, meinte Holló. »Schicke István hin. Er soll Frosch im Auge behalten. Und wenn er doch ins Plaudern kommt …«
    »Ich verstehe.«
    »Nur noch ein Tag. Dann ist er keine Bedrohung mehr, dann kann er reden, so viel er will.«
    »Ja.« Janosch machte eine kurze Pause. »Und was ist mit Lázlo?«
    »Was soll mit ihm sein?«
    Über ihnen, im Luftschacht versteckt, hielt Lázlo die Luft an. Staub kroch ihm entgegen und wieder dachte er an Hollywoodfilme. Da musste immer jemand im entschieden falschen Moment niesen. Wenn Lázlo die beiden hörte, dann konnten sie das auch. Er wartete auf ein Kribbeln in der Nase, aber es kam nicht. Gut. Angestrengt lauschte er weiter. »Ich traue ihm nicht mehr«, sagte Janosch gerade.
    »Warum?«, fragte der Rabe.
    »Immerhin hat er sich mit Frosch im Skulpturenpark getroffen.«
    »Und ihn verprügelt, wie du mir selbst erzählt hast.«
    Janosch zögerte. »Trotzdem. Er ist erst so kurze Zeit bei uns. Und jetzt, wo wir die Parlamentsschlüssel von ihm haben, brauchen wir ihn nicht mehr.«
    »Richtig.«
    Lázlo presste die Hände zu Fäusten und biss sich auf die Lippen. Wie gern hätte er jetzt geschrien. Laut und grell. Ein einziges Wort nur, ein läppisches »Richtig!«, aber es war stark genug, um Lázlos neue Welt einstürzen zu lassen. Die Macht der Worte,

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