Blutrotes Wasser
stinkenden Astern dran waren. »Was gibt es denn?«, fragte sie.
»Ich habe gestern den Rucksack-Dieb gesehen«, teilte Éva, verschwörerisch die Stimme senkend, mit.
»Und?« Immer noch lächelte Lena. »Hat er wieder unvorsichtige Touristen beklaut?«
»Nein, nein. Er hat sich freudig unterhalten.«
»Und?«
»Mit … mit deinem Kavalier.«
Noch einen Augenblick stand das Lachen in Lenas Gesicht, dann rutschte es ab und verschwand in der Unterwelt. »Mit Lázlo?«
»Ja.«
»Die beiden kennen sich?«
»Ja.«
»Machen gemeinsame Sache?«
»Nun … ja.«
»Ganz sicher?«
Diesmal nickte Éva nur.
»Na warte, Freundchen.« Wutentbrannt drehte sich Lena um und wollte losstapfen.
»Warte, mein Mädchen!« Éva pflückte drei Astern von ihrer Eimer-Wiese und hielt sie Lena hin. »Für dich nur 100 Forint!«
»Heute nicht«, brummte Lena wütend, kramte dann aber doch nach Münzen, drückte Éva das 10-fache in die faltigen Hände, packte die Blumen und stürmte davon.
»Oj, oj«, murmelte Éva und blickte ihr nach. Hoffentlich gab es da kein Unglück. Vielleicht hatte der Kavalier sich unsterblich in Lena verliebt, als er sie sah, und wollte ihr seinen Mut beweisen. Ja, so war es bestimmt. Er traute sich nicht, sie anzusprechen, sondern musste sie retten.
Éva lächelte.
Lena heulte. Jedenfalls stand sie kurz davor. Mit so schnellen Schritten, wie ihre Flipflops es zuließen, stürmte sie die Fußgängerzone entlang, erreichte den Vörösmarty tér und tauchte ins Café Gerbeaud ein. Ihre Blicke schossen hin und her, entdeckten aber nur – Imre Rutschek. Der alte Geiger schien hier ein ebenso häufiger Gast zu sein wie Lena selbst.
Rutschek schickte sich zum Gehen an, als er Lena entdeckte. »Oh, das nett«, sagte er und deutete auf die Blumen. »Für mich?«
Aus einem Impuls heraus streckte Lena ihm die drei Astern hin. Sie wollte ohnehin nicht mit einem bescheuerten Blumenstrauß auf Lázlo warten. »Bitte schön«, sagte sie. Imre nahm die Blumen, steckte sich eine Aster ins Knopfloch seines Jacketts. »Danke«, strahlte er sie an. »Möchtest du Kaffee trinken mit altem Mann?«
Lena schüttelte bedauernd den Kopf. »Tut mir leid. Ich … ich habe zu tun.«
»Dann bis nächste Mal, junge Frau.« Imre verabschiedete sich lächelnd und Lena suchte sich einen Platz im Café, von dem aus sie die Eingangstür gut im Blick hatte.
16.40 Uhr, Polizeistation, VI. Bezirk
»Wie lange soll ich denn noch warten?« Lázlo war von der Besucherbank aufgesprungen und raunzte verzweifelt den uniformierten Polizisten an.
»Reg dich ab, Junge. Gleich kommt jemand, der deine … Aussage aufnimmt.«
Das spöttische Grinsen machte Lázlo fast verrückt. Es war schwer genug gewesen, sich aus dem inneren Kreis loszueisen. Noch schwerer, sich zu überwinden und zur Polizei zu gehen. Aber am schwersten war es ihm gefallen, seit nunmehr einer halben Stunde hier zu sitzen und zu warten.
Er glaubt mir nicht, dachte Lázlo. Und eigentlich war das auch mehr als verständlich. Ein Blick auf sein Handy und Lázlos Ungeduld wuchs um mehrere Kilometer. Noch zwanzig Minuten, bis er Lena traf. Kein Ausweg. Diese Polizeistation war ohnehin die dümmste Idee gewesen, die er haben konnte.
»He, wo willst du denn hin, Junge?«, rief der Polizist ihm noch hinterher. Aber Lázlo drehte sich nicht um. Er hetzte durch die Straßen, kontrollierte auf seinem Handy die Uhrzeit und schaffte es mit nur fünf Minuten Verspätung ins Café Gerbeaud. Lena wartete schon. Und sie sah ziemlich sauer aus.
»Sei … gegrüßt«, sagte er mit trockenem Hals.
Sie nickte gnädig.
»Ich … muss dir etwas sagen.«
Wieder dieses Nicken, aber immerhin auch gespannte Erwartung.
»Nun denn …« Gott, war das schwer! Lázlo spürte, wie ihm die Schweißtropfen in den Nacken liefen. »Ich … es schmerzt mich, dass ich so schnell gegangen bin. Als wir auf der Margareteninsel waren. Ich musste einfach weg.«
Lena nickte.
»Und es ist so …« Nein, er schaffte das nicht. Lázlo wollte ihr alles erzählen, bei Gott, es gab nichts, was er mehr wollte, außer vielleicht ihr einen Kuss zu geben. Aber wie konnte Lázlo ihr erzählen, worin er verstrickt war? Nein.
»Also, ich bin …« Nein. Es ging einfach nicht.
Lena saß einfach da und wartete auf eine Fortsetzung. Als die auch nach einer vollen Minute nicht kam, schob sie ihre Hand über den Kaffeetisch, über die Mitte und immer weiter, bis sie seine Hand berührte. Finger an Finger. Wahrscheinlich
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