Blutrubin Trilogie - Band 1: Die Verwandlung (German Edition)
eine dampfende Tasse Tee.
»Bin ich etwa schon wieder eingeschlafen? Wie spät ist es?«, wollte ich wissen und rieb mir die Augen.
»Es ist schon dunkel«, antwortete sie und nickte in die Richtung des Fensters. Ich setzte mich auf und stopfte mir das Kissen in den Rücken, dann nahm ich den köstlich duftenden Tee. Ein Blick auf den Wecker verriet mir, dass es bereits 19.00 Uhr war.
Zuhause benötigte ich maximal sechs Stunden Schlaf und hier nickte ich bei jeder Gelegenheit ein. Irgendwann würde ich beim Gehen zur Seite kippen und einfach einschlafen, dachte ich und nahm einen Schluck. Vielleicht lag es ja an meinen neuen Fähigkeiten und daran, dass mein Körper sich erst an alles gewöhnen musste? Entweder bekam mir die Unsterblichkeit nicht, oder die schottische Luft war schuld an meiner Müdigkeit. Ich konnte wirklich nur hoffen, dass dies kein Dauerzustand wurde, denn es nervte gewaltig.
»Wo ist James?«
Berta verzog den Mund, blies die Wangen auf und erinnerte mich unweigerlich an einen Kugelfisch.
»James ist vor etwa einer Stunde mit dieser Schlange weggefahren«, erklärte sie und man konnte ihr deutlich ansehen, wie erbost sie darüber war.
»Sie sind zusammen unterwegs? Wohin denn?«, fragte ich aufgeregt und spürte, wie mein Puls wieder zu rasen begann.
»Er hat gesagt, dass er am späten Abend wieder zurück sei und ich dir ausrichten soll, dass du dir keine Sorgen machen musst«, erwiderte sie. »Es ist mir wirklich unbegreiflich, warum er diese Blutsaugerin nicht im hohen Bogen hinausgeworfen hat«, fügte sie brummend hinzu.
»Mir auch«, pflichtete ich ihr bei und ließ deprimiert den Kopf sinken. Berta setzte sich zu mir auf das Bett, zog mich an ihre Brust und streichelte mir beruhigend über mein Haar.
»Ich weiß, dass er dich liebt und er würde nichts tun, was dich verletzt. Vertrau ihm einfach Claire, auch wenn es schwerfällt.«
»Genau das habe ich heute schon einmal gehört«, erwiderte ich bedrückt.
»Ist ja gut«, flüsterte Berta und drückte mich noch fester an sich. »Wir werden Evelyns falsches Spiel aufdecken, das verspreche ich dir.« Ich nickte und genoss die mütterliche Zuneigung, die sie mir zuteilwerden ließ. Es war schön jemanden zu haben, dem ich mein Herz ausschütten konnte und der mich verstand.
Während des ganzen Abends lief ich, unruhig wie ein aufgescheuchtes Huhn, von einem Zimmer ins andere, sah alle fünf Minuten aus einem der Fenster und konnte es kaum erwarten, dass James wieder zurückkehrte.
Ich zog mich in die Bibliothek zurück und versuchte mich etwas abzulenken, indem ich in einem der alten Bücher blätterte, doch ich konnte mich nicht so recht auf den Inhalt konzentrieren. Immer wieder sah ich auf die Uhr oder schreckte beim kleinsten Geräusch auf und rannte in die Eingangshalle, um zu sehen, ob James zurückgekommen war.
Berta verwöhnte mich mit Unmengen von Tee und Gebäck und ließ es sich nicht nehmen, einige Zeit bei mir zu sitzen, um mich auf andere Gedanken zu bringen. Auch Ian und Emma leisteten uns eine ganze Weile Gesellschaft, trotteten aber um Mitternacht in ihre Zimmer.
Jetzt begann ich wirklich, mir ernsthafte Sorgen zu machen.
»Er hat doch gesagt, dass er am späten Abend wieder zurück sein wollte oder?« erkundigte ich mich. Berta nickte, ohne von ihrem Strickzeug aufzusehen.
»Ja, genau das hat er gesagt«, bestätigte sie.
»Und du bist dir sicher, dass du ihn richtig verstanden hast?«, hakte ich nach. Sie hob ruckartig ihren Kopf und sah mich vorwurfsvoll an.
»Ich bin zwar alt aber keineswegs senil«, brummte sie und legte ihr Wollknäuel beiseite. Ich fuhr mir mit beiden Händen erst durchs Gesicht, dann durch meine Haare und trat unruhig von einem Fuß auf den anderen.
»Ich verstehe nicht, wo er bleibt. Hoffentlich ist ihm nichts zugestoßen«, murmelte ich und ließ mich in den Sessel fallen. Tief in mir fühlte ich, dass etwas nicht stimmte und dieses Gefühl ließ sich nicht abschütteln. Etwas war geschehen, das wusste ich und diese Vorahnung brachte mich schier um den Verstand.
»Keine Angst mein Mädchen, der gnädige Herr kann sehr gut auf sich aufpassen«, versuchte mich Berta zu beruhigen.
»Aber er ist nicht allein und wir haben keine Ahnung, was diese Schlange mit ihm vorhat«, widersprach ich mit besorgter Miene und nahm mir ein Zimtplätzchen.
Eine weitere Stunde und zwölf Plätzchen später war plötzlich die schwere Eingangstüre zu hören. Wie von der Tarantel gestochen
Weitere Kostenlose Bücher